Die beiden Dunklen Schwingen machten was ihnen gesagt wurde. Die Patientin begann zu strampeln, es schien noch gerade so viel Bewusstsein übrig zu sein, dass sie registrieren konnte, dass sie festgehalten wurde. Rhord, ebenfalls verwundert über die Einteilung begann sich zu fragen, warum nicht mit eine der beiden tauscht, Siradda kam ihm aber zuvor:
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Rhord, ich verstehe was du dir grad denken musst, aber ich benötige dich für zwei Sachen. Einmal musst du die Broschen so halten, dass sie während ich dabei bin ihre Seele zu heilen, sie sehen kann." Nur von sich aus haben die Broschen keinen Effekt, aber wenn sie der Frau unterbewusst vertraut sind, dann könnten sie den Heilprozess verschnellern, da sie sich schneller erinnern wird. Sozusagen sind sie wie eine Art Rettungsreif, den man ins Wasser wirft. Ein Halt, eine Hilfe für den Retter. "
Zweitens und hier benötigen wir deine Kraft: Wenn von irgendeiner Seite jemand reinkommt, egal ob die Bewohner des Hauses reinluschern und meine materialisierte Gestalt sehen und deswegen reingestürmt kommen oder aber jemand von wo auch immer auf einmal trotz der Wachen hereingebrochen kommt, stoppe den Eindringling sofort. Dass meine Magie um sich schlagen kann war eine Lüge, um die anderen raus zu bekommen, dass ich mich konzentrieren muss, nicht. Der Prozess wird mich auslaugen und für einen zweiten Versuch wird mir die Kraft fehlen." Ihr Ton war bestimmend. Sie war ganz anders als die Siradda, die sie die meiste Zeit kennenlernen durften. Dieser schnelle Wandel war immer noch ein Stückchen gruselig für Rhord, aber die Entschlossenheit und Durchdachtheit, die sie an den Tag lag, waren guter Grund für ihn um ihr zu vertrauen. Er nickte dem zu.
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Danke, dass du dir solche Mühen für sie gibst.", dankte er ihr während er die Broschen, die er bei sich trug ihr über den Kopf hielt. Sein Blick wanderte auch ab und an zur Tür und zu den Seiten, überallhin wo etwas kommen könnte. Siradda ging derweil zu einem der Stühle und setzte sich mit Miatas Körper hin.
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Zum Danken ist es zu früh... Es geht los!"
Sofort nachdem sie dies gesagt hatte materialisierte sich die echte Siradda direkt neben Rhord, in ihren Händen bereits eine große Menge an magischer Kraft geladen. Sie war schwärzlich, hatte jedoch ein leichtes Leuchten. Diese legte sie so schnell sie konnte auf die Brust von Frau Celidi und begann in ihren Geist einzutauchen.
Was sie im Inneren vorfand glich ein Scherbenhaufen. Um sie herum war eine schwarze Leere und Fragmente der verlorenen Erinnerungen an alles Mögliche schwirrten ziellos umher, doch keines konnte je einem anderen nahe genug kommen, um sich wieder zusammenzusetzen. Eine Seele ist normalerweise in der Lage sich selbst zu heilen, auch wenn der natürliche Prozess dauert, doch die Feenmagie ließ die Splitter immer wieder voneinander abstoßen, sobald zwei nahe genug zueinander lagen, was eine natürliche Heilung unmöglich machte. Das erste was Siradda also machen musste war die Feenmagie zu isolieren, sie zurückzudrängen und wegzuschließen, zumindest so gut, dass es eine kurze Zeit halten würde. Dies war der anstrengendere Teil und man konnte außerhalb gut erkennen, dass Siradda anfing erschöpft zu wirken. Das Strampeln der Verwirrten war seit ihrem eindringen stärker geworden, doch sobald die Seelendämonin mit dem zweiten und letzten Schritt anfing würde dies zunehmend schwächer werden. Gelöst vom Einfluss der Feenmagie fingen die Splitter an langsam Stück für Stück aufeinander zuzufliegen. Der Heilungsprozess hatte begonnen. Jedoch ohne Selbsthilfe würde dies zu lange dauern, weswegen Siradda den Prozess beschleunigte. Die Seele selbst wusste was wohin gehört, weswegen sie einfach nur die Geschwindigkeit erhöhen musste. Hier kamen auch die Broschen ins Spiel und sie hatten eine Wirkung. Gewisse Erinnerungen setzten sich schneller als andere wieder zusammen, jene die mit diesen in Verbindung stand. Ihnen wurde ein bisschen Zeit gelassen, doch danach musste Siradda eine andere Regung provozieren. Ein Kunststück, welches sie vollführte indem sie der Seele Stichtworte gab, die sie mit bestimmten Ereignissen in Verbindung bringen würde. "Täter", "Dieb", auch mit etwas, was sie wahrscheinlich über den Übeltäter gedacht haben wird, "Monster".
Die Dunklen Schwingen konnten beobachten wie Siraddas Patientin wieder unruhiger wurde. Sie wehrte sich nicht gegen die Fixierung, aber ihr Gesicht war angespannt. Ihre Augen waren im Moment verschlossen was sie aussehen ließ, als hätte die Dame einen Alptraum.
Im Inneren tat sich auch etwas Neues. Die Nutzung des Wortes "Monsters" hatte eine starke Wirkung, die die Seele eine starke Angst empfinden ließ. Eine einschneidende Erinnerung kam zurück, eine die Narben hinterlassen hat und diese Person mit reinem Terror verband. Man konnte glatt sagen, desto mehr sie sich erinnerte, desto lieber war es diesem Verstand eben dies nicht zu tun. Doch einmal in Gang gesetzt ließ sich der Mechanismus des Geistes nicht wieder von selbst stoppen. Rasend schnell setzten sich Splitter zusammen, welche eine Person bildeten. Das Gesicht fehlte noch, es war verschleiert, aber die Seelendämonin konnte die Form erkennen. Eine Gestalt wie die von einem jungen Mann, ungefähr so alt wie der Durchschnitt der Dunklen Schwingen... wobei es auch einfach ein etwas kürzer gewachsener Erwachsener sein konnte. Die Gestalt war noch zu undeutlich. Erst jetzt bemerkte Siradda, dass weitere Feenmagie versuchte die Identität jener Person verdeckt zu halten. Ein letztes Hindernis, um sie zu verschleiern und die Seelendoktorin war entschlossen auch dieses zu überwinden. Sie sammelte ein letztes Mal ihre angesammelte Energie und schoss sie gegen die feindliche Magie und gab der Seele währenddessen von außen Befehle, die auch die anderen natürlich hören konnten.
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Gib jetzt nicht auf! Selbst wenn es schmerzhaft ist... du musst dich erinnern! Gesicht, Stimme, an alles! Nichts wird sich ändern, wenn man immer nur wegläuft... stell dich gegen deinen Schänder!" Barabaras Augen öffneten sich wieder und sie ließ einen Schrei raus, der zwar ganz draußen kaum zu hören war, aber nur eine Tür weiter sah es anders aus. Vater und Tochter rannten in den Raum rein, aufgeschreckt durch das Geräusch. "Was macht ihr mit ihr?", rief einer der beiden während die andere Hälfte den Dämonengeist sah, die ihre unheimlich aussehende Magie am Wirken war. "
D-das sieht nicht gesund aus. Und ist das eine Dämonin?! N-Nein!"
Rhord drehte sich sofort um und lief den beiden wie ihm befohlen wurde sofort entgegen. Ehe sie reagieren konnte hatte er den Vater zu Boden gestoßen und die Tochter am Arm fest im Griff.
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Es tut mir leid, aber ich darf euch nicht näher kommen lassen! Ich muss erfahren, was mit Bali... Mira geschehen ist! Und für ihre Mutter..."
Die Behandlung, die er ihnen entgegenbrachte war übel, aber Siradda hatte klar gemacht, warum dies so sein musste. Der Mann versuchte wieder aufzustehen und an Rhord vorbeizukommen, doch auch der wurde am Arm gepackt und kein Winden und Schlagen sollte etwas daran ändern. Spätestens jetzt dürfte klar geworden sein, warum er dies übernehmen sollte, denn mit seiner dämonischen Kraft konnte war sein Griff an die beiden um einiges fester als es die anderen hätten tun können. Am liebsten wollte er Siradda zurufen, dass sie sich beeilen solle, aber er ließ dies. Keine Konzentration stören.
Die Seele resonierte mit ihren Worten. Auch Rhords Erwähnung vom Namen der Tochter kam bei Barbara an, aber das führte nur dazu, dass anderswo - bei den Erinnerungen zu den Broschen - sich noch schneller wieder etwas zusammensetzte. Dies brachte eine Kettenreaktion, es schien eine Verbindung zu geben und zusammen mit dem Sinneswandel der Seele sich verstärkt zu versuchen sich zu erinnern was vorgefallen kam, gab es für die Feenmagie keinen Halt mehr. Siraddas Seelenmagie brach durch, der letzte Schleier löste sich und - auch Barbara wurde außen wieder ganz ruhig und schloss ihre Augen wieder - und was sie sah war ein Gesicht, was ihr im ersten Moment bekannt vorkam, sie konnte es aber nicht sofort zuordnen. Erst als sie die Stimme vernahm - wiedergespielt aus einer starken Erinnerung heraus - und die Mimik sich zu einem abscheulich, bösartigen und unmenschlichen Grinsen änderte, dämmerte es ihr:
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Diese Stadt. Die Welten. Ich will alles im Fegefeuer der Menschlichkeit lodern sehen!"
Der Schock der Realisation und der aufblitzende Horror, den diese Seele verspührte - und Siradda mitfühlte, da sie so tief hineingetaucht war - rissen sie aus ihrer Konzentration. Sie schreite kurz auf, stolperte vor Schreck zurück und während sie nach hinten fiel endete auch ihre Materialisierung. Sie landete mit dem Hintern auf dem Boden. Auch "Miata" schreckte im selben Moment auf, fiel durch das Sitzen aber nicht nach hinten. Beide Seiten atmeten vor Erschöpfung ein und aus. Keine der beiden Seiten brauchte das wirklich, ihr wahres Ich nicht, da sie eh keine Lunge hatte, der Körper nicht, da es nicht Miata war, die erschöpft war. Es war einfach eine Erinnerung zu ihren Lebenszeiten ihrerseits wie man sich verhielt, wenn man erschöpft war. Aber auf solche Kleinigkeiten konnte sie sich im Moment nicht konzentrieren und es war vergleichsweise auch egal.
Die Eigentümer des Hauses wurden still. Sie beobachteten für den Moment alle nur die Situation, unsicher was jetzt der Fall ist. So auch Rhord.
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S-Siradda... H-hast du es geschafft? Und geht es dir gut?"
Am liebsten wollte sich der Dämonengeist jetzt auf den Boden liegenbleiben und sich einfach ausruhen, so kraftlos fühlte sie sich. Aber dazu würde sie gleich Gelegenheit zu haben. Sie sammelte sich nochmal, um über Miata mit ihnen zu sprechen. "
Holt Amen oder Seia her. Oder beide. Falls Scarlet versucht reinzukommen, sag ihr dass sie unbedingt draußen bleiben soll und weiter aufpassen soll... Vergesst nicht die Dächer im Auge zu behalten. Je nachdem wer in der Geisterwelt gerade sonst noch da ist, sollen die auch aufpassen möglichst nichts zu übersehen. "
Auch in der Geisterwelt hatte Siradda etwas zu sagen und ging angestrengt wieder auf ihre Beine zurück, um dort dann zum Fenster zu gehen.
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Nyx oder Diana, ich brauch eine von euch beiden. Die, die meint Noire am besten ruhig oder bei Bedarf beruhigen zu können."
Rhord - der nicht einmal das in der Geisterwelt gesagte hörte - verstand nicht warum sie auf einmal ihre Aufstellung verändern sollten. Siradda würde es nicht grundlos sagen, das war klar, aber er wüsste gerne... "
Worum geht es? Du weißt wen wir erwischen müssen?"
Sie nickte langsam, ehe sie mit ihrer Erkenntnis herausrückte. "
Der Übeltäter... oder zumindest einer von ihnen... war Braig." Rhords Augen wurden groß, als er einmal wieder diesen Namen hörte. Es zeichnete sich ein Muster ab, aber dass dieses Monster schon vor so vielen Jahren... Es schossen ihm viele Gedanken durch den Kopf, wo er zwischendurch auch, ohne es zu bemerken, die beiden Gegriffenen freiließ. Diese beiden nutzten die Chance aber auch nicht. Sie standen einfach nur da. Zuerst planlos, dann auf Barbara schauend, als auch "Miata" dies tat.
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Und nur damit das klar ist: Nach all dem Ärger erwarte ich ein paar gute Antworten von dir. Sammel dich aber für einen Moment. Ihr könnt sie übrigens nun loslassen."
Ihre Patientin öffnete ihre Augen wieder.
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Ist in Ordnung..."
Die verwirrte Seele war vom Chaos befreit. Es sollte nicht für lange sein, aber für diesen Moment war sie wieder zurück.