Ein Tag in der Vergangenheit:
Evelin hatte es versucht. Aber der Schlaf wollte einfach nicht kommen. Die Gedanken waren einfach zu laut in ihr. Wieso hatte sie die erste Mission nicht einfach Kyrian überlasen? Er hatte nie Probleme damit, zu wenig Schlaf zu bekommen. Oder zumindstens hatte sie es noch nie erlebt,dass man es ihm ansah. Sie legte ihren Kopf auf ihre Knie und schloss zittrig die Augen. Ihr Körper verlangte so sehr nach ein paar Stunden Schlaf aber der wollte sich einfach nicht einstellen. Es wäre unverzeihlich, wenn diese Gruppe versagen würde. Auch wenn sie es nie vor den Abenteurern zugeben könnte, da es wichtig war, dass sie sich nicht unersetzbar fühlten (diesen Fehler hatten sie bei der letzten gruppe gemacht, und auch bei der davor... letztendlich waren Helden ersetzbar. Aber zu welchem Preis?). Dabei wäre der Verlust... groß. Zu groß, vielleicht.
Auf einmal hörte sie eine Stimme in ihrem Kopf. DieStimme kam ihr bekannt vor. Ziemlich bekannt. Sie zog die Augenbrauen zusammen und überlegte, bevor sie antwortete. Dann entschied sie sich dafür, etwas anderes zu tun. Sie stand auf, möglichst leise, damit niemand außer Danial mitbekam, wenn sie das Lager verließ (er würde es unweigerlich spüren, wenn sie durch sein Schutzschild trat), und schlich sich in den Wald davon.
Dort trat sie entschlossen durch die Bäume, die Hand am Griff ihrer Waffe, und blieb nach einer Weile stehen. Sie spürte eine Präsenz hier und sah sich um.
Sie war gekommen. Malhir nahm wieder seine menschliche Gestalt, bis auf die Klauen, und lehnte sich an einen Baum, während er scheinbar seine Klauen, aber eigentlich die Frau beobachtete, die nun auf die Lichtung trat.
"Guten Abend, Evelin, es ist lange her", eröffnete er das Gespräch dann plötzlich und fast zu seiner eigenen Überraschung "ich heiße nun Malhir, doch das nur am Rande. Ich bin mir sicher, ihr könnt euch an mich erinnern."
Er löste sich nun von dem Baum und ging mit wehendem schwarzen Gewand auf sie zu, während er sich fragte, wann er den kindlichen Hang zur Dramatik wieder angenommen hatte. Es musste eine langweilige Zeit gewesen sein.
Er richtete seine leuchtend lilanen Augen auf sie und verkündete dann ernst: "Wir müssen reden!"
Evelin sah in die Richtung der Gestalt mit dem wehenden Umhang und musste bei seinen Worten unweigerlich Kichern. "Du klingst wie ein böser Prophet, der eine unglaubliche Nachricht verbreiten will!" Sie entspannte sich sichtlich und drehte sich ganz zu ihm. "Der Namenswechsel passt, es ist wirklich lange her.", ihr Lächeln war freundlich und sie blickte ihm in seine leuchtenden violetten Augen. "Was führt dich in diese Gegend? Bist du neugierig, was ich so treibe?" Auf einmal kam ihr ein Gedanke. "Ohhh.. du bist hier, wegen Akira, oder?", ihr Gesicht hellte sich auf und sie lachte erneut. Sie musste wirklich aufpassen, nicht zu laut zu sein. "Natürlich! Sie sprach von
einem ominösen großen Meister und - ", Evelin verdrehte die Augen. "Mann, war ich schwer von Begriff. Sie meinte dich! Ich hatte bis eben wirklich keine Ahnung, dass du hier bist. Deshalb hat Kyrian also darauf bestanden, diesen Weg zu wählen.. dieser ständige Besserwisser.", sie grinste leicht verärgert, schien es allerdings nicht wirklich ernst zu
meinen. "Wobei.. du kennst ihn ja noch gar nicht, oder?" Die Schwertkämpferin stemmte eine Hand in die Hüfte und sah ihr Gegenüber neugierig an. "Bisher hattest du ja nur die Ehre, die ehemalige Regentin Xengs aus der Klemme zu helfen. Gut, dass ich dieses mal nicht schon wieder in Schwierigkeiten stecke."
"Ich wollte gerne mal wieder mit dir reden, dass du quer durch Dämonenland läufst weißt du ja wahrscheinlich", nachdenklich kaute er auf seinen Klauen: "Pass auf Akira auf, bitte. Sie ist die Hoffnung meines Volkes und sie ist begabt, aber noch so zerbrechlich...", dann verkündete er: "Ich möchte dir meine Hilfe anbieten, die Expedition darf nicht wieder scheitern."
Er warf ihr einen durchdringenden Blick zu. Sie gehörte zu den wenigen, die mehr über ihn wussten als einen falschen Namen. Sie wusste um seinen Schmerz und seinen Wunsch nach Rache. Beruhigend hob Evelin die Hände."Nun mach mal halblang - die Reise hat ja kaum erst angefangen. Erstmal müssen wir über's Meer, und ich weiß nicht ob das so dein Element ist?", sie musterte ihn fragend. Er hatte sich ziemlich verändert. Er war älter geworden, aber anscheinend auch mächtiger. "Zuviel Vorsicht hat der letzten Gruppe nur geschadet. Ich glaube nicht, dass wir sie also mit Samthandschuhen anfassen müssen. Wo hast du die letzten Jahre gesteckt, und wieso erst jetzt?" Sie zog die Augenbrauen zusammen. "Wenn du wirklich hättest helfen wollen, wäre deine Hilfe vor zwei Jahrzehnten auch hilfreich gewesen - dann wäre es vielleicht gar nicht erst so weit gekommen." Sie streckte die Hände aus und zeigte um sich.
Hier und jetzt:
Evelin stand neben dem Beiboot und sah, wie Farah und der weißhaarige Raisen sich bereits hineingesetzt hatten. Jetzt war noch Platz für zwei Leute - und sie. Sie konnte das Boot auch Staksen, der kurze Weg zum Schoner erlaubte das schon. Trotzdem würde es eng werden. Mordain schlug vor als letztes einzusteigen. Dankbar lächelte Evelin ihm zu. "Dich und Shja nehm ich auf der zweiten Tour mit." Sie wandte sich Akira zu. "Nicht so ängstlich, Süße.", sie hakte sich mirnichtsdirnichts bei der jungen Drakone unter und schob sie sanft aufs Boot, setzte sie neben Farah. "Schau ihr beim Essen zu, das lekt ab. Und du, krümel nicht so viel.", setzte sie noch an die Verfressene hinzu und grinste schelmisch.
"Pfff..", yinyué blies sich eine Strähne aus der Stirn. "Das war dummer Zufall.", sie rieb sich die immer noch schmerzende Stelle. Zwar hatte die Heilerin ihre Wunde auch mit Magie behandelt, aber so ganz war die Stelle noch nicht verheilt. "SONST bin ich viel talentierter.", sie lehnte sich zurück und schaute grimmig (oder schmollend). "Andere können das bestimmt bestätigen. Eigentlich bin ich froh, wenn wir hier rauskommen. Dann.. hab ich endlich mal was zu tun.", ihrer Stimme nach tat sie so, als wäre sie ein gelangweilter professioneller Söldner, dochwenn man sie ansah, sah man dass die Coolness nur gespielt war. Im Grunde genommen war ihr auch klar, dass Kyrian sie nicht einfach so "Dämonen erschlagen" gehen lassen würde. Aber das musste Altaris ja nicht wissen! Wer weiß, vielleicht konnte sie dadurch, dass sie nun einen wahrscheinlich jüngeren Vater hatte, auch noch einen Vorteil herausschlagen. "Oh schön!" sagte sie auf sein Versprechen, mit ihr zu trainieren und freute sich sichtlich. Melancholisch starrte sie auf ihren Tee und schwieg (!) eine kleine Weile. "Manchmal.. wünschte ich, dass ich eine andere Schwester hätte." Sie seufzte. "Die Leute schauen komisch in der Tagesschule, weil sie wissen, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Sie fragen. Und wenn sie mich zusammen mit ihr sehen, machen sie sich viel Mühe um Anning bloßzustellen. Natürlich verteidige ich sie dann, aber denk nicht, dass sie dann dankbar wäre... Zum Beispiel gab es da etwas vor ein paar Jahren. Anning wurde von Papa mal gezwungenworden, hinauszugehen, damit sie nicht den ganzen Tag in der Wohnung rumhängt. Ich hab mich gefreut, meine Schwester mal NICHT hinter einem Stapel von Büchern zu sehen und erzählte ihr überschwinglich, was ich heute in der Tagessschule (eine Art Schule, die vom Dorf organisiert wird) gelernt hatte und was alles beim Training. Anning stand da wie ein Stock, aber das ist halt ihre Art. Das darf man ihr auch nicht übel
nehmen.. dann tauchten Leah und ein paar andere Freundinnen von mir auf. Naja. 'Freundinnen' soweit man das sagen kann. Jedenfalls fingen sie sofort an Anning mit Fragen zu bombardieren. Diese ging immer mehr auf abstand und sagte gar nichts, schloss nur die Augen. Ich sprang also dazwischen und sagte, meine Schwester hätte Kopfweh und es ginge ihr nicht gut. So geht das immer! Anning mag andere nicht so gerne, weil.. naja, sie hört ihre Gedanken halt oder sowas in der Art.Die Tage darauf haben die drei dann versucht Anning nachzuspionieren! Das ging soweit, dass sie sogar in ihr Zimmer geschlichen sind.. Anning hat fast einen Schreikrampf bekommen." Yin seufzte nach diesem Wortschwall. "Ich mag meine Schwester ja.. aber sie ist so.. kompliziert! Nie konnten wir normal miteinander spielen oder reden. Sie weiß immer alles besser und schnappt mir Papa ständig weg. Immer hat sie irgendetwas, was sie
ziept.. ich weiß gar nicht wie SIE außerhalb der Oase klar kommen soll.."