Das Hauptgebäude des Händlerverbandes zu finden, war erstaunlich leicht. Man musste nur den aufgebrachten Stimmen folgen, die man bereits von weitem hören konnte. Es handelte sich um ein relativ großes, gut ausgestattetes Steingebäude, das auf Bannern das Zeichen der Händlergilde trug. Einen ledernen Beutel, aus dem Goldstücke zu allen Seiten flogen. Arion musste grinsen, als er das Zeichen betrachtete. Er würde darauf wetten, dass der Händlerverband lange nicht so freigiebig war, wie er sich ausgab. Einen Beweis dafür konnte man ohne große Probleme bekommen. Vor dem großen Eingangstor hatte sich eine lange Menschenschlange beschäftigt und die meisten von ihnen sahen nicht so aus, als wollten sie über den Anbau von Kohlrabi diskutieren.
Nur mit Mühe hielt eine Gruppe von Wachen sie davon ab, alle auf einmal in den Gebäudekomplex hereinzustürzen. Arion blickte sich um und suchte nach einem Weg, den Pöbel zu umgehen, doch es schien ihm nichts anderes übrig zu bleiben, als sich hinten anzustellen und sich die zornigen Kommentare der Menge anzuhören. Er hielt es für klüger, nicht jedem mitzuteilen, dass er hier war, um Mitglied des Verbandes zu werden und nickte immer nur mitleidig, wenn ihm jemand von den Wucherpreisen berichtete, unter denen er zu leiden hatte. Jemand rempelte Arion an und er blickte sich ärgerlich um. Ein kleiner Mann mit braunen Augen und schütterem, blondem Haar entschuldigte sich höflich und verschwand dann wieder in der Menge. In diesem Moment schlossen sich die Tore auf einmal und einer der Wachen verkündete, dass heute niemand mehr vorgelassen werden würde. Zornig vor sich hin murmelnd zerstreute sich die Menge und es war klar, dass sie schon am nächsten Morgen wieder hier stehen würden. Als die meisten Leute weg waren, drängte Arion nach vorne, entschlossen, noch heute sein Anliegen vorzutragen.
Er wollte einfach an den Wachen vorbeigehen, doch einer hielt ihn fest. "Heute geht hier niemand mehr entlang. Wenn du dich beschweren willst, mach das gefälligst morgen."Arion machte sich los und blickte den Mann aus seinen orangenen Augen an. "Ich bin auch nicht hier, um mich zu beschweren. Ich möchte dem Händlerverband beitreten und würde gerne mit dem Vorsitzenden sprechen."
Der Mann lachte und sagte etwas zu seinem Kameraden, was Arion nicht verstand. "Na wenn das so ist, nur zu", erwiderte die Wache grinsend und ließ Arion vorbei.
Das Gebäude war von innen noch größer, als es von außen geschienen hatte, doch ein Schild wies Arion den Weg. Der Mann, der für neue Gildenmitglieder zuständig war, hatte schwarzes Haar und ein typisches Beamtengesicht. Gelangweilt sah er Arion an, als dieser den Raum betrat und sein Anliegen vortrug. "Du ahnst ja nicht, wie viele Leute hier täglich vorstellig werden, die sich eine große Kariere erhoffen. Wenn du Mitglied werden willst, musst du zuerst eine Garantie entrichten, dass es sich für uns auch lohnt. Du zahlst uns eine bestimmte Summe, im Gegenzug erhältst du von uns einen kleinen Laden und einige Waren, um dir eine Existenz aufzubauen. Dir sollte jedoch klar sein, dass du die Hälfte deines Erlöses an uns abtreten musst, dazu das Geld für den Laden und die anfänglichen Waren. Du hast exakt ein Jahr Zeit, um alle deine Schulden bei uns zu begleichen, ansonsten fällt dein Besitz komplett an den Händlerverband und du landest als Bettler auf der Straße."Er sagte dies alles vollkommen emotionslos, wahrscheinlich rasselte er es mehrmals am Tag herunter.
Einen Moment lang erwog Arion, lieber nicht einzuwilligen, denn ihm war klar, dass der Gewinn für die Gilde weit größer war als für ihn. Nicht umsonst genoss der Verband beim König einen großen Einfluss und gehörte, dem Gemunkel auf den Straßen nach, zu den reichsten Institutionen der Stadt, weit wohlhabender als beispielsweise die Magiergilde.
Doch in einem Jahr konnte viel passieren und die Aussicht, etwas eigenes zu haben, dass er vermehren konnte, gefiel Arion. Was er machen würde, wenn das Jahr vorbei wäre, würde er sich schon noch überlegen, zur Not konnte er einfach alles zu Geld machen und einfach verschwinden, darin war er immer schon gut gewesen.
"Okay, ich bin einverstanden mit den Bedingungen. Wie hoch ist die Summe, die ich entrichten muss?", meinte er mit gelassener Stimme zu dem Beamten, der auf seine Antwort gewartet hatte.
Dieser hob überrascht die Brauen und musterte Arion nun genauer. Als er die Summe nannte, klang seine Stimme abschätzend, offensichtlich erwartete er nicht, dass sein Gegenüber so viel Geld besaß. Innerlich schluckte Arion, denn er würde beinahe sein gesamtes Geld, das er noch besaß, hergeben müssen, ihm bliebe gerade noch genug für ein Abendessen. Doch nun konnte er keinen Rückzieher mehr machen. Er griff an seine Hüfte, nach seinem Geldbeutel... und erstarrte.
Das Geld war weg, nichts war mehr da. Eilig sah Arion sich um, in der absurden Hoffnung, er hätte seinen Beutel hier irgendwo verloren. Dann erinnerte er sich auf einmal und kalte Wut überkam ihn. Der Mann, der ihn draußen angerempelt und sich danach so höflich entschuldigt hatte. Er musste ihm mit einem raschen Schnitt den Beutel vom Gürtel geschnitten haben. Ein Taschendiebstahl wie aus dem Lehrbuch.