Nach und nach nahm Viska wieder ihre menschliche Gestalt an. Die geringere Größe machte es zwar einfacher, sie zu tragen, aber ein schöner Anblick war es nicht: Die Narben an ihrem Körper waren allesamt aufgerissen, und sie war von Blut überströmt. Korina half ihr mit einiger Überwindung, neue Bandagen umzuwickeln. Das unangenehme Kribblen, als ihre Finger über die Haut des Monstermädchens streiften, war bestimmt nichts im Vergleich zu dem Schmerz, in dem Viska sich befinden musste, und es war Eile angesagt.
Séamus konnte die Ritterin zwar durch rohe Geschwindigkeit auf Trab halten, doch wenn immer er den Kopf aus dem Boden streckte, um seine Schilde aus Dunkelheit zu erneuern, antwortete sie einem Wasser-Peitschenhieb. Er ließ ihr zwar keine Gelegenheit, die fliehenden Terroristen anzugreifen, aber durch ein Netz aus wabernden Pfützen schaffte sie es, den Dämon selbst in seiner ansonsten fast unverwundbaren Schattenform zu schwächen.
Viskas Blut fühlte sich kalt an, sicher ein Resultat von Enochs Lieblingszauber. Wenn man vom Teufel spricht, der Hurensohn wurde gerade von kleinen Wassertentakeln in Sicherheit getragen, was so aussah, als würde er einige Zentimeter über dem Boden schweben. Ein größerer Tentakel mit einer scharfen Kante erhob sich aus einer Pfütze und packte Korina am Bein, und riss die Wunde wieder auf, die Thonystans Morgenstern verursacht hatte. Dieses mal war die Verletzung magisch und somit um einiges schmerzhafter für Korina. Schnell zerschlug sie den Tentakel an seinem Ursprung, und er zerfloss zu gewöhnlichem Wasser. Dass Alvaaks Kontrolle bis hier hin reichte, bedeutete wohl, das Séamus so langsam die Puste ausging. Die Zeit wurde ganz, ganz knapp.
Also lies Korina es zu, dass Viska sich auf sie stützte, auch Korina dadurch ein ähnliches Gefühl überkam, wie das, was man fühlt, wenn man ein detailreiches Bild einer schweren Schulterverletzung sieht. Sungjin legte sich Viskas anderen Arm um die Schulter, und gemeinsam trotteten sie davon.
Sobald Séamus sah, dass Korina außer Reichweite waren, ließ er alle Schattenschilde verblassen, um seine Kraft wieder auf sich selbst zu fokussieren, und schwamm in seiner Schattenpfütze davon, unter einem Türspalt durch und von da aus eine Treppe hoch, durch ein Fenster und aufs Dach des Gebäudes. Um so viele Ecken zu gleiten hatte ihn ausgelaugt, und er stieg wieder aus dem Schatten hervor, aber es würde eine Weile dauern, bis die Ritterin aufholen würde, und Korina, und noch wichtiger, die Waffe, die das Mädchen bei sich trug, waren fürs erste in Sicherheit. Nicht auszudenken, was das Militär mit diesem alten Schwert machen würde, wenn es in seine Hände fiele.
Nach einiger Zeit erreichten Korina, Sungjin und Viska eine ruhige Ecke im Untergrund. Vorsichtig ließen sie das blutüberströmte Mädchen hinunter, dann ließ Korina sich neben ihr an eine Wand gelehnt nieder. Zuerst einmal rub sie sich die Schulter ab, dann begann der Schmerz in ihrer Seite und an ihrer Schulter sie aufzuholen. "Kannst du dich weiter um Viska kümmern, Sungjin? Ich bin selbst ein wenig verletzt, und ehrlich gesagt ist Erste Hilfe nicht meine Stärke." Ihre Eltern hatten ihr natürlich Wundversorgung beigebracht, aber in den letzten zwei Jahren hatte sie es meistens der Macht des Schwertes überlassen, ihre Verletzungen zu heilen. Mit magischen Verletzungen ging das nicht so einfach. In ihrer Reisetasche hatte sie zwar Verbände für Notfälle, aber sie hatte fast alles in der Herberge gelassen, denn die Eingangskontrolle am Fest hätte es bestimmt verdächtig gefunden, Verband und Kräuterpillen bei ihr zu finden. Schöne Scheiße.
Unter den Geister und Feen, die Amen bisher begleitet hatten, war auch einer gewesen, der sich bei der heißen Schlacht ums kalte Waffen-Buffet nicht bedient hatte. In der Tat, er war nur hiergewesen, um das Trio bestehend aus Amen, Korina und Noire im Auge zu behalten. Gut, der Rabenteufel war nicht mit ihnen mitgekommen, aber sein Kollege, der auf Sungjin und Viska acht geben sollte, würde sie bei den beiden sehen. Anbetracht der schweren Verletzungen, die der Junge mit der Geisterwelt-Fähigkeit erlitten hatte, würden die beiden wohl eine Weile hier bleiben müssen. Perfekt. Der Teufel stahl sich davon, unbemerkt von den ganzen Feen, denen Amen jetzt eine Menge schuldig war.
Die Wucht von Rhord Faustschlag führte dazu, dass Drakon auf die Unangenehmste Weise aus seiner Klemme befreit wurde - der abgetrennte, im Boden versenkte Sichelarm riss durch seinen Flügel. Dass der Schmerz sogleich gelindert wurde, störte ihn auch, denn es geschah durch den Schlafrauch dieses vermaledeiten Ritters! Und auch Drachenmenschen sind nicht immun dagegen.
Rainhard spürte seinen Rauch zu sich zurückkommen. Ein Windmagier war sein Gegner also, und er glaubte wohl, er könnte seine Waffe gegen ihn richten. Er wusste gar nichts. Der Dämon, aus dessem Herz Rainhards Klinge bestand, hatte viel schlimmeren Rauch freigelassen. An dem Tag, an dem er das Qualmende Biest zum Kampf herausgefordert hatte, war ihm vieles abhanden gekommen, doch der Schmerz hatte ihn gestärkt, und immunisiert gegen alle Effekte seiner Waffe, einem der stärksten Schwerter der Welt. "Ich würde Vorschlagen, du ergibst dich!" rief er Lauriam zu.
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