Der Schlag war schmerzhaft gewesen. Sehr schmerzhaft. Und er war das letzte, was Arion mitbekommen hatte. Er erinnerte sich noch daran, wie sie die Seeschlangen besiegt hatten, wie er sich seine Belohnung abgeholt und sich dann auf den Weg in die Arena gemacht hatte. Er hatte in einer der ersten Reihen gesessen, hatten den Kampf von Altaris und Han miterlebt und gesehen, wie Han dieses... Ding beschworen hatte, das kurzen Prozess mit Altaris gemacht hatte. Er hatte gejubelt, wie alle anderen, doch dann. Hier setzte seine Erinnerung aus.
Nachdem er die Ereignisse noch einmal vor seinem inneren Auge vorbeiziehen gelassen hatte, begann Arion sich umzusehen. Wo war er? Alles, was er sah, war eine grobe Wand, die ein kleines Loch direkt über Arion aufwies. Über dem Loch war die Sonne. Moment, das konnte nicht sein, hinter einer Wand konnte die Sonne nicht sein.
Erst jetzt kam Arion darauf, dass er wohl liegen musste und auf die Decke starrte. Ruckartig setzte er sich auf und bereute es sogleich, denn sein Kopf begann heftig zu schmerzen. Er fasste sich an den Hinterkopf - und erstarrte. Sein gesamter Schädel war von einem dicken Verband umwickelt und dessen Ausmaßen zufolge musste beinahe sein halber Kopf Geschichte sein. Er begann Sterne zu sehen und beschloss, sich lieber wieder hinzulegen. Was war bloß passiert? Er beschloss, die Augen vorerst zu schließen und sich auf seine anderen Sinne zu konzentrieren. Das führte zu Erfolg. Zuerst roch er etwas. Schweiß. Und Blut, vor allem Blut. Ein Schaudern überlief ihn. Das konnte doch nicht alles sein Blut sein, oder etwa doch? Nein, schalt Arion sich selber, er musste sich in einer Art Lazarett befinden. Aber wie war er nur hier hingekommen? Jetzt hörte er etwas. Leise Stimmen, einige Schluchzer, aber kein Lachen, keine Freude. Nun zwang er sich, die Augen erneut zu öffnen und sich umzusehen.
Er lag in einem behelfsmäßigen Krankenhaus, im Grunde nur einer großen Halle, die vollkommen überfüllt mit Betten war und all diese Betten waren belegt. Nicht alle Insassen rührten sich, einige hatten die Augen geschlossen und schienen zu schlafen - und ihrem Zustand nach würden nicht alle wieder aufwachen. "Legen Sie sich wieder hin, Sie sind noch zu schwach, um zu sitzen!" Die Stimme rührte von einer Frau, die offensichtlich eine Heilerin war und zu ihm gekommen war, nachdem sie gesehen hatte, dass er wach war. Arion beschloss, ihrer Aufforderung zuerst Folge zu leisten, vielleicht konnte sie ihm ja berichten, was um alles in der Welt hier vorgefallen war. "Warum bin ich hier? Und was machen all diese Leute hier? Wie lange habe ich geschlafen? Werde ich wieder gesund werden?" Die Fragen brachen wie eine Flut aus ihm heraus und die Heilerin bedeutete ihm mit der Hand, zu stoppen. "Immer mit der Ruhe. Sie schlafen bereits sein ungefähr einer Woche, seit wir sie in der Arena gefunden haben. Offenbar haben sie etwas auf den Kopf bekommen, etwas richtig Schweres, wahrscheinlich einen Kriegshammer." Sie setzte eine erstaunte Miene auf, während sie ihn weiter betrachtete. "Ehrlich gesagt wissen wir selbst nicht, wie Sie das überlebt haben. Jeder andere Mensch wäre bereits tot, Sie müssen riesiges Glück gehabt haben. Wie auch immer, ich kann Ihnen nur empfehlen, sich weiterhin auszuruhen, mindestens noch zwei Wochen."
Erst jetzt überkam Arion die Erkenntnis, dass hier ja niemand wissen konnte, dass er ein Vampir war, schließlich hatte er die Augen die ganze Zeit geschlossen gehabt. Schnell schloss er sie wieder, als ob es noch zu anstrengend wäre, sie geöffnet zu halten. Eine Woche lag er bereits hier, unglaublich. Erneut bemühte er sich zu erinnern, wer ihn angegriffen hatte, doch es wollte ihm nicht einfallen. "Was ist denn nun mit den anderen passiert? Das letzte, woran ich mich erinnere, sind die Arenakämpfe..." Nun nahm das Gesicht der Heilerin einen traurigen Ausdruck an, während sie sich umblickte. "Telaron wurde angegriffen. Gleich nach dem Ende des Kampfes griffen Feinde aus der Luft und vom Wasser aus an. Die Schlacht dauerte einen kompletten Tag an und noch immer weiß niemand, warum sie hier waren. Fest steht jedoch, dass sie unglaubliche Schäden angerichtet haben - hier liegen längst nicht alle Verwundeten, ganz zu Schweigen von den unzähligen Toten." Ein Angriff? Warum sollte jemand die Stadt einfach so, ohne Vorwarnung angreifen? Er wusste es nicht, doch es stand fest, dass Arion nicht noch zwei Wochen hier bleiben konnte, eingesperrt zwischen den Verwundeten und Sterbenden, während des Leben draußen weiterging. Er tat, als hätte ihn diese schreckliche Nachricht so sehr ermüdet, dass er wieder schlafen müsste und die Heilerin ging wieder. Es gab zu viele Verwundete, zu viele Patienten.
Einen Moment wartete Arion noch, dann begann er sich, mit seiner Magie zu heilen. Immer mehr, eine kurze Pause, dann weiter. Er spürte, wie die Wunden sich schlossen, er wieder vollkommen geheilt war. Dann setzte er sich auf und schaute sich dabei aufmerksam um. Niemand achtete auf ihn. Schnell stand er auf und huschte aus der Halle hinaus ins Freie.