Die Wände der Unterirdischen Kaserne Nummer 5 waren sehr dick, weshalb von außen niemand etwas von Noires Wutausbruch mitbekam. Stattdessen zog sich die Aufmerksamkeit der hier stationierten Wachen auf zwei Personen, bei denen sich es ihren Ausweisen zufolge zwar um Ritter handelte, aber die in Zivil unterwegs waren, was wohl daran lag, dass die beiden noch dabei waren, sich von Kampfverletzungen zu erholen. Die Frau trug einen Verband um ihr Gesicht, da ihre gebrochene Nase selbst nach Einsatz von Heilmagie noch Erholung brauchte, und am Kragen des jungen Mannes neben ihr waren Verbände von einer schweren Fleischwunde an der Schulter zu sehen.
"Sie wissen genau, warum wir hier sind." antwortete Kaithlyn Grausee energisch auf die Frage des Hauptmanns.
"Uns ist zu Ohren gekommen, dass die Attentäter von gestern Abend gefangen und hier her gebracht wurden. Als Augenzeugen und Hauptverteidigung während des Anschlags verlangen wir, beim Verhör der Täter teilzunehmen."
"Aha, und nachdem sie beim Schutz des Fürsten versagt haben, wollen sie es hier noch mal versuchen?" fragte der Hauptmann gehässig. "Selbst, wenn ich sie das tun ließe, alle neun gefangenen wurden bereits zur Exekution abtransportiert."
Kaithlyn verzog für einen Moment das Geschicht im Schock, bevor Enoch sie beruhigte.
"Wenn sie schon weg sind, warum spüre ich dann noch so viele Wärmesignaturen aus dem Gefängnistrakt?" Er ging zur Stahltür und klopfte dagegen, bevor er von einem Wachsoldaten weggeschubst wurde.
"Wie unhöflich... Ich kann neun Leute Orten, anscheinend keiner ein Soldat, die würden doch stehen, oder auf dem Gang in der Mitte sein. Um genau zu sein," er leckte sich kaum merklich die Lippen.
"Ich kenne die Wärmesignatur von... einem von ihnen sehr genau, er ist hier."
Der Hauptmann starrte ihn wütend an, behielt aber einigermaßen die Fassung. "Unsinn. Ihr Ritter, die nicht der Krone dient, seid ja nicht mal gut in Magie. Wenn Sie dann bitte gehen würden?"
Endlich hatte Séamus die Rabenklaue gefunden, jetzt musste er nur noch einen Weg finden, das Schwert hinaus zu schmuggeln. Magische Gegenstände konnte er nämlich nicht mit in den Schatten nehmen. Er hörte eine Stimme von draußen... der silberhaarige Typ von gestern, der Korina schon mal vor einem Jahr belästigt hatte, und bestimmt auch schon mal davor, Korinas Reaktion nach zu urteilen. Als er dann hörte, wie jemand an der Türklinke drehte, riss er die Augen auf, versteckte das Schwert unter einem herumliegenden leeren Sack und verbarg sich ebenfalls im Boden darunter. Ein Soldat kam herein und holte den Karren, in dem die verfluchte Waffe gelegen war. Wieder draußen meldete er dem Hauptmann: "Die Eigentümer der Täter sind jetzt bereit zum Abtransport, Sir."
Als Kaithlyn den Wagen sah, und viel wichtiger, die Pestdoktorenmaske, die obendrauf lag, trat sie näher und durchsuchte die Sachen.
"Der Rabenteufel war unter den Attentätern, richtig? Ihr Schwert ist ein verfluchtes Erbstück, dass die Grausee-Familie schon seit langem zu zerstören versucht. Lassen sie mich wenigstens das mitnehmen!" Zwei Wachsoldaten packten sie an den Schultern und zogen sie von dem Wagen weg.
"Finger weg. Ihr beide könnt froh sein, dass ich euch nicht melde. Die Gefangenen sind exekutiert, ihre Sachen werden von hier weggebracht, und damit Basta."
Leise vor sich hinfluchend verließ Kaithlyn mit Enoch im Schlepptau die Kaserne.
"Komisch, plötzlich sind sie verschwunden." bemerkte Enoch.
"Was?"
"Die Attentäter. Auf einmal ist ein zehnter Mensch aufgetaucht, sie haben ihre Zellen verlassen und sind ihm gefolgt... und Schwups waren sie aus meiner Reichweite. Es würde uns wahrscheinlich nichts gutes tun, einfach nochmal hinzugehen und eine Antwort zu erfordern... Aber wir haben noch eine Chance, Korina zu retten."
Kaithlyn knirschte mit den Zähnen, als sie das hörte. Ein Geheimgang? Hatten die Soldaten etwa den Attentätern bei der Flucht geholfen.
"Das gibt's doch nicht, was denken sich die dabei, stecken die etwa mit drin? Was meinst du, Enoch... Enoch?"
Der Dämon hatte schnell eine Möglichkeit gefunden, das Schwert zu transportieren: Darunter schwimmen, und immer wieder einen Arm ausstrecken, um Schwert und Sack weiterzuschieben. Die Wachen waren wenig Aufmerksam, und er schaffte es ohne Probleme nach draußen auf die Korridore des Untergrundes, doch dort spürte er plötzlich, wie Flammen über ihn hinzwegzogen und den Sack zu Asche werden ließen, bevor rötliche Flammen direkt den Boden berührten. Innerlich wand Séamus sich vor Schmerzen, diese Flammen entzündeten Lebensenergie, und taten ihm selbst in Schattenform höllisch weh.
"Nah sie mal einer an." flüsterte Enoch, der plötzlich neben ihm stand. Séamus streckte den Kopf aus der Schattenpfütze
. "Der Dämon, der Cousinchen Korina gestern geholfen hat, mit Korinas Schwert. Arbeitest wohl für sie was?" Er ergriff die Klinge, bevor Séamus protestieren konnte, und wurde plötzlich aschfahl.
"Momentmal... Lebensentzugsfähigkeiten. Und nicht irgendwelche." Er leckte über die Klinge.
"Das ist doch die Macht des Alten Lebensräubers..." Und als er das Aussprach, war Séamus an der Reihe, Aschfahl zu werden.
"Sehr interessant. Ich geh dann mal, bevor Kaithlyn mich vermisst. Bis daaahan!"
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Korinas stilles Flehen schien zu Noire durchzugkommen, und langsam lockerte die Gestaltwandlerin ihren Griff. Nachdem sie endlich vollständig von der Schwertkämpferin abließ, sahen sich die beiden für einen Moment an, bevor Noire ein einzelnes Wort sprach und dabei eine Träne vergoss. Der salzige Wassertropen landete auf Korinas Hals, genau da, wo sich Noires Finger hineingegraben hatten, und in dem Moment schüttelte sie sich plötzlich und krabbelte von Noire weg, was nicht sehr einfach war, da Noire immer noch auf ihr saß und da ihre Hände gefesselt waren. Schließlich befreite sie sich und krabbelte rückwärts in eine Ecke, kurzatmig und ohne ein Wort zu sagen.
Die Gruppe hörte plötzlich das Geräuch einer gut versteckten Falltür, die sich auf dem Korridor des Gefängnistraktes öffnete. Heraus kam ein bekanntes Gesicht: Veriktor, der lebende Lügendetektor. "Eigentlich würden wir euch nicht rausholen, aber da ihr nur wegen eines Verräters gefangen genommen wurdet, drücken die Bosse noch mal ein Auge zu." Er hatte einen Schlüsselbund bei sich, mit dem er die Zellentüren öffnete und die Handschellen aller Dunklen Schwingen löste. "Na dann, raus hier." Er deutete auf die Falltür, und ging vorraus, wo er eine Leiter herunterkletterte in einen engen Gang, der wer weiß wohin führte.
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