Matthew und Forax durchquerten derweil das vierte Level. Am Ende des Ganges ging es nicht weiter, nur nach links und rechts zu den Zellenkomplexen, die noch weitere Türen besaßen. Matthew stellte sich das Ausbrechen aus diesem Gefängnis unmöglich vor, denn sie hatten bisher mindestens zwanzig Türen mit dem Siegelstein durchquert, ohne ihn musste es unmöglich sein, denn jede der Tür war versiegelt und auch so mit ihrer enormen Dicke nicht mit Gewalt zu öffnen.
"Wohin jetzt?", fragte er Forax,
"ich dachte, unser Ziel ist in Ebene fünf?"
Forax nickte kurz.
"Das stimmt. Wenn du mir folgen würdest..." Er setzte sich wieder in Bewegung und bog nach rechts ab, es schien, als wählte er den Weg zu den Zellen. Den dann drehte er sich Richtung Wand und hielt den Stein an eine Stelle, die aussah wie jede andere. Keine Markierung, keine Vertiefung. Ein Stück Wand.
Doch der Stein leuchtete kurz pulsierend auf, wie er es bei allen Toren getan hatte. Dann löse sich die Wand plötzlich ein Stück weit auf und ein Durchgang wurde frei.
"Das Tor wandert. Man kann es nur spüren, wenn man seine Natur begriffen hat. Es gibt nicht viele, die die fünfte Ebene je betreten haben, außer leitenden Figuren kennen die meisten diese Ebene nicht einmal. Und das aus gutem Grund."
Sie betraten Level 5. Alles war stockdunkel hier unten, und Forax hielt die freie Hand, die nicht den Stein hielt, hoch, und entfachte eine magische Flamme über seiner Handfläche. Sie erhellte das Level nicht weit, aber es reichte, um zu sehen, dass dieses Level sich von allen anderen unterschied. Es war gigantisch. Level 5 war kreisrund und kugelförmig aufgebaut, am äußeren Rand auf jeder der Etagen waren die Zellen. Sie befanden sich gerade auf einer der mittleren Plattformen. In der Mitte des Levels war eine große Halle, die alle Ebenen miteinander verband - man hätte annehmen können, es sei der Saal eines Theaters. Die Halle in der Mitte war die Bühne und außen herum, die Umgänge und Zellen waren die Logen.
"Früher wurden hier Kämpfe abgehalten", konstatierte Forax, als hätte er Matthews Gedanken gehört.
"Daher diese Aufmache. Der Adel traf sich hier, in der Tiefe der Stadt, fernab der Öffentlichkeit. Komm, wir müssen noch eine Ebene nach unten."
Sie nahmen die Treppe und begaben sich auf die Ebene darunter. Per Umgang kamen begaben sie sich auf dem Ring weiter im Uhrzeigersinn, und kamen an einigen Zellen vorbei. Zahlreiche von ihnen waren leer, aber auch einige hatten Insassen. Nur vereinzelt sah Matthew Menschen, viele der Kreaturen hatte er och nie gesehen und konnte sie daher nicht einordnen.
"Auf diesem Level...", begann Forax zu erklären, als er Matthews fragenden und nachdenklichen Blick bemerkte,
"befinden sich diejenigen, die nicht einmal die Mauern der vorigen Level zusammen aufhalten konnten. Sie alle - sagte er und deutete auf die Ketten, die um die meisten von ihnen geschlungen waren, sind hier untern gebannt. Die Ketten versiegeln ihre Kräfte, sie können nur von bestimmten Personen gelöst werden. Auch die Zellen können nur durch bestimmte Personen geöffnet werden - nimmt man das zusammen mit dem Weg, den wir hierherkamen... Sagen wir es so: Es ist unmöglich, die eigenständig hieraus zu befreien. Es gelang noch nie - nur durch externe Mittel ist es einer einzigen Person gelungen, aus diesem Level zu entkommen. Und derjenige, der sie befreit hat, hat mit seinem Leben bezahlt, denn der Fluch, der hier auf allen Lastet, hat keine Ausnahme. Woher ich das weiß? "
Dann blieb Forax stehen. Auch ohne Worte wusste Matthew, dass sie da waren.
In der Zelle zu ihrer linken befand sich ein in schwere Eisenketten gehüllter alter Mann, der reglos in der Ecke saß. Forax trat an das Zellengitter heran.
"Das, Matthew, ist Urs Vallen", begrüßte er den Insassen indirekt. Der erhob sich mit einem Kettenklirren und ging nahe an das Gitter heran.
Er murmelte etwas, dann lachte er kurz auf - er musste wahnsinnig sein.
"Vallen befindet sich bereits so lange hier unten, dass selbst deine Urahnen noch nicht gelebt haben, als er hier hergebracht wurde. Er sieht zwar nicht so aus, aber er gehört - oder eher gehörte - zu den Kreaturen in Finitus, die besser nicht auf freien Fuß gehörten", sagte Forax mit einem leicht sarkastischen Unterton. Aber Matthew war auch so klar, dass der Mann unheimlich mächtig sein musste, wenn er hier unten war. Als er die Worte von Forax hörte, lachte er kurz hysterisch auf.
Forax packte den alten Mann durch die Gitterstäbe am Kragen - die Stelle war offenbar von Ketten frei gelassen - und hielt ihm mit der zweiten die lodernde Flamme unter den Hals.
"Keine Zeit, deinem Wahnsinn zu verfallen, alter Mann", sagte er energisch. Das Lachen des Greises verstarb.
"Zeig ihm das Mal, Matthew", sagte er dann. Matthew verzog sein Hemd so, dass man das schwarze Muster auf seiner Schulter sehen konnte. Die Augen des Greises wanderten unweigerlich dorthin, und sie weiteten sich für einen Blick vor Unglauben.
"Ah, er erinnert sich. Also dann: Was sagt dir der Name Akaru Neva?"
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Der hier:
mit Falten übersät und grauen Haaren. So sah er wohl in seinem 40ern aus.