Das Thema Teufelin brachte Siradda dazu, Lauriam und Korina über einen Zwischenfall zu erzählen, der ihr heute widerfahren war. Menschen, die von einem Teufel versklavt worden waren und Siradda und die Studenten angegriffen hatten. Die Dämonin hatte den Verdacht, dass dies mit jemandem namens "Blutkönig" in Verbindung stand. Die Art, auf der Siradda ihre Fassung sammeln musste, um diesen Namen auszusprechen, gepaart mit Lauriams entsetztem Schweigen, machte klar, dass diese Person eine ernst zu nehmende Gefahr war. Doch konkrete Fakten wusste Korina keine über ihn. Dafür machte eine andere schlechte Nachricht gleich mehr Sinn. "Heute Mittag wurde angeblich ein Dämon gesichtet, der Leute getötet hat... Siradda, warst das du, als du dich verteidigt hast?" Zwar hatte Siradda gesagt, Yuria sei diejenige gewesen, die zur Selbstverteidigung tödliche Gewalt eingesetzt hatte, aber es war gut möglich, dass Siradda aufgrund des Notfalls ihre Dämonenform angenommen hatte und ihr deswegen die Tode zugeschrieben worden waren.
Nachdem auch dieses Thema abgehandelt war, wurde es wirklich Zeit zum gehen, um Lauriams Willen. Selbst ein mächtiger Magier und Agent eines Syndikats, wie er, war nicht unverwundbar, das hatte man schon bei seinen Interaktionen mit Braig gemerkt. Aber was immer Aoifes Falle ihm auch gezeigt hatte, das hatte ihn wirklich zugrunde gerichtet. Zum Teetrinken blieb in der Tat keine Zeit.
Sie waren wieder in Genevieves Büro, wo die Wasserdämonin vor ihrem Schreibtisch stand. "Ich bin froh, dass dieses Treffen zivil verlaufen ist, trotz der unerwarteten Turbulenzen." Und dann verbeugte sie sich vor Siradda. "Wir mögen zwar technisch gesehen Feinde sein, aber das Wohlergehen meiner Familie ist mir wichtiger als alles andere. Deshalb danke ich dir zutiefst, Séamus geholfen zu haben" Und Séamus, Dante, Florence und sogar Camus in der Geisterwelt machten es ihr nach. Das schien nun alles gewesen zu sein und die Schwingen und die Kletten wandten sich zur Tür, aber Genevieve entschloss nach kurzer Abwägung, noch etwas hinzuzufügen. "Meine Sorge um die Familie gilt übrigens auch euch beiden." sagte sie zu Florence und Dante. "Äh, danke" erwiderte Florence. Woher kam das? Sicher, Genevieve empfand sie und ihren Bruder nicht so sehr als Schwarzes Schaf, wie einige andere in der Familie es taten, aber ein paar freundliche Worte aus dem Nirgendwo, das passte nicht zu ihr. "Alles in Ordnung, Schwester?"
"Ich sage dies, weil es einige gibt, die diesem Prinzip nicht folgen. Ich halte zwar nichts von eurem Feenpakt, aber eher, weil ihr euch damit nur selbst in Gefahr bringt. Ihr müsst darauf vertrauen, dass sich niemand anderes einmischt, während ihr Korina verfolgt, und dieses Vertrauen ist bei jemandem wie Veronica nicht angebracht."
"Veronica ist hier?" sagten Dante und Florence wie aus einem Munde, alle Farbe wich ihnen aus dem Gesicht.
"So ist es. Obwohl Vater euren selbstmörderischen Plan erlaubt hat und euren Geschwistern befahl, die Suche nach Korina abzubrechen, ist Veronica ihr noch immer auf den Fersen. Sie wollte meine Kooperation für einen Plan, den sie nicht näher erläutert hat, aber was immer sie vorhat, es bringt den Feenpakt in Gefahr. Deshalb warne ich euch vor ihr. Sie kann Korina mithilfe ihrer Fähigkeit verfolgen, und verbirgt sich hinter der Maske des neuen Rabenteufels."
Korina hatte während dieser Erklärung immer lauter und wütender gekeucht, aber als sie sprach, konnte sie sich von einem Vulkanausbruch abhalten. "Diese Veronica folgt uns also? Euer ach so toller Plan, euch selbst in die Schlinge zu hängen, funktioniert nicht? Ihr beiden seit wirklich das Letzte."
"Du hast sie doch gehört, Veronica agiert unabhängig! Vater zu vertrauen, das bringt uns nicht in Gefahr! Sie ist die schuldige." wehrte sich Dante.
Die Diskussion ging ein paar mal hin und her, bis Korina die Hände zu Fäusten ballte und sich auf die Lippe biss. Mit diesen Leuten war nicht zu reden. Einen Moment lang herrschte stille. Dann war ein Leuchten vom Bürotisch zu sehen. Genevieve seufzte. Camus wollte anscheinend mit seinen Geschwistern reden. Sie wollte so ein wertvollen Stück zwar nicht vor den Augen der Besucher enthüllen, aber es blieb wohl keine Wahl.
Sie zog das Tuch weg und enthüllte das runde Objekt, das darunter verborgen lag: Ein bläulicher Kristall, geschliffen in Form eines Schädels. In der Geisterwelt legte Camus eine Hand auf den Kristall, und plötzlich erschien er in der Materiellen Welt, bleich und durchsichtig.
Kommunikation mit der Geisterwelt war eine schwierige Sache, und zu Genevieves wundesten Punkten gehörte es, dass sie trotz harter Arbeit nie einen Zauber zur Kontaktaufnahme gemeistert hatte. Deshalb musste sie sich mit anderen mitteln behelfen, wie diesem Schädel, einem wertvollen Artefakt, dass nur von den Mönchen eines kleinen, versteckt liegenden Klosters in den großen Gebirgen Melsiyas hergestellt werden konnte.
"Ich werde mich um Veronica kümmern. Sie mag zwar unzähmbar erscheinen, aber ich bin der Älteste. Auf mich wird sie hören. Sie wird dich nicht mehr verfolgen oder sich als Rabenteufel ausgeben, das verspreche ich dir, Korina." Die Schwertkämpferin nickte, aber sagte nichts. Camus schien das zu genügen, denn er wandte sich Dante zu.
"Dante, Florence, glaubt ihr an Reinkarnation?" fragte der stählerne Dämon. Von Dante kam ein verwirrtes Geräusch.
"Es ist nämlich so, meine Frau verehrt die Dämmerungsgötter, und da hat mich wohl etwas angesteckt. Und ich habe da etwas interessantes gelernt: Die Anhänger der Dämmerungsreligion glauben, dass alle Lebewesen, die sterben, eines Tages wiedergeboren werden. Und insbesondere glaubt man, dass jemand, der im vergangenen Leben große Fehler gemacht hat, diese im nächsten Leben wiederholt."
"Worauf willst du hinaus?" fragte Dante
"Ich fand es nur interessant. Und mit "Interessant" meine ich auch "ein bisschen traurig". Denn so, wie ihr redet erinner ihr mich ein bisschen an einen eurer älteren Brüder, den ihr nie kennen lerntest. Er war immer darauf versessen, Vater zu beweißen, wie Loyal er ist. Eines Tages ist er deshalb ein zu großes Risiko eingegangen, und hat es nicht überlebt. Vielleicht war dies ja das vorherige Leben von einem von euch, und jetzt bringt ihr euch in große Gefahr, nur um euch bei Vater wieder gut zu stellen"
Die Kletten antworteten darauf nichts. Egal, was sie sagten, das würde Korina wohl wieder zum Ausbrechen bringen, und das brachte nun wirklich niemandem was. Schließlich brach Florence das Schweigen: "Deine Frau, also? Wir haben schon oft von ihr gehört, aber du hast sie nie jemandem vorgestellt... oh, jetzt versteh ich. Ich hab gar nicht gewusst, dass Hände religiös sein können."
Camus registrierte den Witz, und fing an zu Lachen. "Ooooh, der war schmutzig. Wegen solchem Jux bist du meine Lieblingsschwester, Florence. Aber nein, ich schwöre dir, meine Gattin ist eine richtige Frau aus Fleisch und Blut, genauso richtig, wie du eine bist. Jedenfalls, passt auf euch auf. Ihr tut genug, hebt nicht noch mehr Last auf eure Schultern."
Und damit war der Besuch beendet.