Vor dem Losgehen hatte Korina noch nach der Route zur Balderstraße gefragt. Mit der hölzernen Schachtel voller sehr scharfer, sehr kleiner Messer in der Hand und dem Zylinder, der einen Riemen zum Aufhängen hatte, auf dem Rücken, verließ Korina nun das Haus der Schmiedin, gefolgt von Amen, der sich wohl fragte, warum sie denn Probleme mit irgendeiner alten Magierin hatte. Hatte er denn nie den Nachnamen eines gewissen blutdurstigen Knappen gehört, mit dem er - in seinen eigenen Worten - noch eine Rechnung offen hatte?
Korina lies sich auf dem Weg mögliche Alternativen durch den Kopf gehen. Das einzige, was sie über Ritualmagie wusste, war, dass es üble Konsequenzen haben konnte, wenn man was falsch macht, da brauchte man wohl wirklich einen Experten für das Brett. Sie könnte Lauriam fragen, ob es bei der Schwarzen Hand jemanden gab, der sich darum kümmern könnte, aber bei dem Syndikat wollte sie sich nicht noch tiefer verschulden, wäre also nicht viel anders, als Aoife um Hilfe zu bitten. Und außerhalb dieser beiden Optionen einen Ritualisten zu finden, war ihr zu unsicher, sie wollte möglichst schnell den Dämonengeist erwecken, damit sie den Fluch brechen und bei Kaithlyn als unschuldig dastehen konnte. Außerdem, wenn sie nicht die Lieferung betätigte und einfach mit der Schriftrolle abhaute, wäre das Diebstahl, und um die Illusion des unschuldigen Mädchens aufrecht zu erhalten, wollte sie eine weiße Weste haben.
Und dann kamen sie auch schon in der Balderstraße an, wo die Nummer 9 perfekt in die Reihenhäuser dieses gehobenen Viertels passte. Oder nicht ganz, so kam es Korina jedenfalls vor. Irgendwas stimmte an dem Haus nicht, für einen Moment mochte es einem fast so vorkommen, als sei das Dach ein bisschen schräger, oder die weiße Wandverputzung stach einem in die Augen, oder die Fenster waren in Form eines makaberen Gesichts angeordnet. Auf den zweiten Blick stellte sich das Haus aber als absolut normal heraus, da hatte Korinas Kopf ihr bloß einen Trick gespielt. Ganz bestimmt.
Bei der Eingangstür stand ein Schild:
Praxis Dr. Erzfang, Allgemeinmedizin & Chirurgi. Da heute Sonntag war, hatte die Praxis geschlossen, Korina klopfte also bei einem Nebeneingang an die Tür, die mit
Wohnsitz Familie Erzfang beschriftet war. Die Tür öffnete sich, doch niemand war dahinter. Korina sammelte sich kurz, dann trat sie in die Eingangshalle, die durch die herunter gelassenen Jalousie nicht stark beleuchtet war.
Eine junge Frau mit weißen Haaren und roten Augen trat aus dem Schatten.
"Was für eine angenehme Überraschung..." flüsterte sie. Streifen aus Licht, die durch die Jalousie in den Raum fielen, ließen drei rote Juwelen aufblitzen, die sie trug, zwei an Bändern an den Oberarmen und einer an einer Halskette.
"Dass du uns besuchen kommst, liebstes Cousinchen." Auf einmal war sie direkt vor Korina und schlang ihre Arme um sie. Ihre bleichen Finger gruben sich in schmerzhaft in Korinas Arme.
"Was ist denn, willst du deine liebste Cousine nicht begrüßen?"
"...H...hallo, Sabeth." brachte die Schwertkämpferin heraus.
"Du riechst nach Blut... fremder Menschen. Ein guter Duft. Enoch hat mir in einem Brief erzählt, was du bist... gelogen hat er nicht." Sabeth ließ Korina los und schritt hinüber zu Amen, den sie auf gleiche Weise in die Arme schloss. Ihre Haut war eiskalt.
"Du riechst auch nicht nach dir selbst... fremdes Leben. Ein Toter... Enoch hatte auch bei dir recht."
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Nun, da die beiden angekündigten Gäste weg waren, schenkte Heather den unangekündigten Besuchern ihre volle Aufmerksamkeit. Rhord interessierte sich im Gegensatz zu Amen mehr für den Rohstoff des Dämonenstahls, als für das Endprodukt.
"Tot ist tot." antwortete Heather auf seine erste Frage.
"Manche getöteten Dämonen bleiben zwar nach ihrem Tod als Geister bestehen, statt in die nächste Welt zu reisen - und zwar so wie die Geister von normalen Menschen, nicht wie das, was man in der Fachliteratur einen Dämonengeist nennt und natürlicher Teil des Lebensablaufs eines Dämonen ist, aber mit dem Herzen kann man diese Geister nicht finden. Tut mir leid, Herzchen. Und die zweite Frage ist eigentlich gar nicht so dumm. Manche Forscher sagen, Körper von Lebewesen bestehen zum Teil aus Kohle. Aus dieser Theorie haben sich dann unter Dämonologen ihre eigenen Ideen ausgedacht. Dass die verbleibende Kraft des Dämons sich im Moment des Todes im Herzen fokussiert, der Quelle der Lebenskraft, und dabei die Kohle am meisten wächst. Bin keine Expertin, und die erste Theorie ist ja auch noch immer nicht ganz bestätigt, aber vielleicht könnt's ja das sein. Nächster!"
Jetzt erklärte Brandon, er wolle ein Dämonenschwert schmieden lassen.
"Ah, ein Auftrag! Jetzt im Ruhestand mach ich eigentlich keine Waffen für Kunden mehr, aber Dämonenwaffen sind ne Ausnahme. Dann kann ich hinterher immer schön Urlaub machen, und sonst können die Dämonentöter ja auch zu niemandem gehen, stimmt's? Und dass du den Rohstoff zur Verfügung hast, mach ich das auch tatsächlich. Wenn du ohne ein Herz hier aufgekreuzt wärst in der Hoffnung, dir ne starke Waffe zu besorgen, hätt ich dich mit ner starken Waffe davongejagt."
Sie nannte Brandon den Preis der Anzahlung. Es war eine ordentliche Summe, aber solange er die Belohnung für das Attentat auf Niccolo noch nicht auf den Kopf gehauen hatte, sollte er es sich locker leisten können.
"Der restliche Preis hängt davon ab, wie lange ich herumwerkeln muss, um daraus gutes Metall zu machen. Manche Herzen sind schwerer zu verarbeiten als andere!"
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