Siela erwachte in einem Raum, den sie nicht kannte. Wo war sie hier, doch diese Frage würde ihr niemand beantworten. Noch etwas schwach auf den Beinen sah sie sich um. Es gab nur eine Tür, aber weder ein Bett, noch Fenster oder Ketten. Einfach nur ein leerer Raum. Vorsichtig wagte sich das Mädchen vor und lauschte an der Tür. Keine Geräusche waren zu vernehmen, es war totenstill. Nur die Stimme Almas zeigte ihr, dass sie nicht träumen würde. Doch wozu sollte man sie einsperren? Der Versuch die Tür zu öffnen missglückte. Natürlich war sie verschlossen, wie sollte es auch anders gewesen sein.
Das Mädchen setzte sich wieder hin und dachte nach. Was sollte man in so einer Situation am besten unternehmen? Weder wusste sie wie lange sie dort war, noch wo sie war. Sie zog ihre Beine nah an ihren Körper heran und legte die Arme um sie, ihren Kopf stützte sie auf ihren Knien ab. Ihr Blick war traurig und erfüllt von Einsamkeit. Am liebsten hätte sie geweint, doch es hätte ja auch nichts an ihrer Lage geändert. Alma versuchte das Beste was sie konnte, um Siela ein wenig aufzumuntern, auf ihre etwas eigenwillige Art und Weise. Doch es brachte nicht den gewünschten Erfolg.
Sie wusste nicht wovor sie mehr Angst hatte, entweder von jemandem gefunden zu werden, der ihr Böses wollte oder von niemandem gefunden zu werden und alleine zu sterben. Es hätte auch nichts gebracht, wenn sie um Hilfe gerufen hätte. Ihre Fuchsohren hörten ja viel besser als die eines gewöhnlichen Menschen, sie hätte also jedes kleinste Geräusch wahrgenommen. Aber dort war einfach niemand, der ihr hätte helfen können.
Von dem vielen Nachdenken wurde sie müde, bis sie schließlich einschlief. Sie träumte von einer Stadt. Überall waren Menschen, die ihrem Tagesablauf nachgingen. Kinder rannten durch die Straßen und spielten. Siela fand sich auf einem großen Platz wieder, in dessen Mitte ein großer Baum stand. Er wirkte schon sehr alt, doch noch vital genug, als könnte er noch viele tausend Jahre überleben. Dieser Ort hatte eine merkwürdige vertraute Aura an sich, doch das Mädchen wusste nicht, wie sie zu dieser Schlussfolgerung kam. Hatte dies etwas mit ihrer Vergangenheit zu tun? Doch ehe sie weiter darüber nachdenken konnte, fing der Baum an zu brennen. Auch die Stadt brannte und die Menschen wurden von dunklen Gestalten getötet. Eine Leiche fiel vor ihr zu Boden und der abgetrennte Kopf starrte sie mit seinen leeren und nach Hilfe schreienden Augen an. Etwas packte sie von hinten an der Schulter und im nächsten Moment wachte sie auf.
Jetzt war sie an einem anderen Ort, nicht mehr vorherigen Raum. Ein paar Leute tuschelten, doch sie konnte nichts Genaues hören, da sie immer noch etwas schläfrig war. Eine Stimme fragte sie dann, wie ihr Name sei. Sie antwortete nicht, da sie Angst hatte und noch verwirrt über die Lage war. Die Anwesenden wirkten freundlich, doch der Schein konnte immer trügen. Ihr wurde gesagt, dass sie jetzt keine Angst mehr haben müsse, da man sie in dem Kellerraum gefunden und gerettet hatte. Sie sollte vermutlich auf dem Schwarzmarkt verkauft werden, aufgrund ihrer besonderen Physis.
Als es Nacht wurde gingen die Meisten schlafen, diese Gelegenheit könnte Siela nutzen um zu entkommen. Es war nicht so, dass sie undankbar für ihre Rettung wäre, doch sie musste zur Gruppe zurück, wer weiß ob sie überhaupt noch da waren. Die Gruppe war immerhin ihre Familie und alles was sie hatte. Vorsichtig schlich sie sich aus der Hütte, immer darauf achtend niemanden zu wecken oder zu alarmieren. Sie hatte schon ein paar Meter hinter sich und ihre Retter gebracht, da lief sie ein paar Räubern in die Arme. Sie konnte sich mehr oder weniger gut durch die Lücken der Angreifer bewegen und flüchten, doch sie waren ihr auf den Versen. Alma wies an sich in einer der Hütten zu verstecken. Mittlerweile hatten auch die Leute, die Siela gefunden hatten, ihr Verschwinden bemerkt und suchten sie. Diese Menschen waren zwar keine ausgebildeten Kämpfer doch in ihrer Zahl wären sie den Räubern überlegen gewesen.
Sie suchten alles nach Siela ab, es waren gute Menschen. Sie wussten wie schmerzlich es war jemanden zu verlieren. Dieses Leere konnte einem den Verstand rauben und dann gab es auch noch Menschen, die absichtlich Profit mit dem Leben anderen Menschen machten, einfach grausam. Nun kamen sie auch an der Hütte an, in der sich Siela versteckt hielt. Sie klopften an die Tür, doch niemand von innen öffnete ihnen. Es war eine Zeit lang still, sie berieten sich draußen, aber Siela konnte nichts verstehen. Dann zogen sie weiter. In Sicherheit, dachte sich das Mädchen, doch da richtete sich eine Stimme an sie.
„Vielleicht kannst du mir erklären, was dieser Aufruhr gerade sollte? Falls nicht, bleibt es mir wohl nicht erspart es selbst herauszufinden.“ Die etwas schwache Stimme des alten Mannes erschreckte Siela, sodass sie erst einmal keine Antwort darauf wusste. Doch es klang eindeutig bedrohlich. Langsam versuchte sie zur Tür zu krauchen, doch spürte sie dann ein Gewicht auf ihrem Rücken. Der alte Mann hatte einen Fuß auf ihren Körper gesetzt und hielt sie somit am Boden fest. Eine Hand griff nach ihrem Hals. „Fliehen kannst du jetzt nicht mehr, da musst du mich schon umbringen.“ Mit einer Hand hob er das Mädchen hoch, sie bekam kaum noch Luft und versuchte sich aus dem Griff zu lösen. Doch plötzlich ließ er los. Das Mädchen hustete und der Mann bewegte sich von ihr weg. Als sie wieder nach oben sah, stand er vor ihr, mit einem Kristall und einem Becher in den Händen. „Trink das, danach geht es dir besser.“ Ein Lächeln war auf dem Gesicht des Mannes zu erkennen, welches von dem Kristall beleuchtet wurde.
Es war zwar nur Wasser, doch nachdem Siela es trank ging es ihr wirklich ein wenig besser. Woher kam den der Sinneswandel des alten Mannes? „Vergib mir meine Grobheit gerade eben, ich habe dich für einen Räuber gehalten. Meine Augen verlieren wohl langsam an Sehkraft.“ Das Mädchen sagte noch immer kein Wort und auch der alte Mann schwieg jetzt. „Nun…“, begann er, „…du musst keine Angst vor mir haben. Ich bin nur ein alter Mann, der müde ist.“ Sein Gesichtsausdruck vermittelte genau was seine Worte sagten. Siela spürte auch keine Feindseligkeit mehr, die von ihm ausging. Sie fasste den Mut etwas zu sagen, „En-entschuldigen Sie bitte, i-ich wollte Sie nicht beim Schlafen stören.“ Der alte Mann wirkte ein wenig überrascht, doch dann lachte er leicht, „Es ist selten dieser Tage, ein so höffliches junges Ding wie dich zu treffen.“, dass er gar nicht diese Art von müde sein gemeint hatte, sagte er ihr nicht, „Nunja, aber nichtsdestotrotz solltest du jetzt wohl besser Heim gehen, es gibt sicher jemanden, der sich Sorgen um dich macht.“
Siela sah ein wenig bedrückt zu Boden, „Eine richtige Familie habe ich nicht, nur Freunde, sie sind meine Familie, aber ich weiß nicht wo sie sind.“, „So ist das, ich verstehe.“ Im nächsten Moment klopfte es wieder an der Tür, „Meister Shinzo, seid ihr da? Meister Shinzo?“ Der alte Mann, der wohl auf den Namen Shinzo hörte, deutet dem Mädchen an sich zu verstecken und begab sich dann selber zur Tür. „Wie oft habe ich es denn nun mittlerweile schon gesagt, dass ihr mich nicht „Meister“ nennen sollt, ich bin nur ein alter Mann. Was wollt ihr denn?“, seine Stimme klang keineswegs unfreundlich, eher völlig ruhig und besonnen. „Wir suchen ein kleines Mädchen, sie hat einen Schweif und Tierohren. Habt ihr sie gesehen?“ Shinzo dachte kurz nach, während er sich am Bart kratzte, „Ich habe ja schon viel gesehen, aber ein kleines Mädchen mit einem Schweif? Eure Phantasie ist wohl mit euch durchgegangen.“ Doch die Gruppe versuchte es weiter, „Bitte Meister! Sie könnte sonst wieder den Sklavenjägern in die Hände fallen. Wir haben ihr versprochen, dass sie nun in Sicherheit wäre. Ich will gar nicht wissen, wie viel die Kleine schon durchmachen musste. Bitte helft uns beim Suchen, Meister!“ Shinzo besaß eine gute Menschenkenntnis und konnte erkennen, ob jemand ehrlich zu ihm war oder nicht. „Ja ich verstehe. Nungut. Bitte komm her. Keine Angst.“ Er drehte den Kopf leicht in die Hütte hinein, während er dies sagte. Siela trat aus dem Schatten hervor und die Gesichter der Bürger wirkten erleichtert. Sie selbst hatte damit gerechnet, dass sie wütend wären.
Bei dem folgenden Gespräch erklärte Siela ihre Lage und dass sie nicht wüsste, wie sie ihre Freunde wiederfinden soll. Die Beteiligten wollten ihr helfen, doch es bestand immer noch das Problem, dass es wie die Nadelsuche im Heuhaufen war. „Also deine Freunde sind ja alle recht einzigartig, ich denke wir finden sie, wenn wir uns richtig umhören.“, „Wirklich? Haben Sie vielen Dank.“, dabei verbeugte sie sich leicht. „Aber du kannst auch hier bleiben wenn du möchtest.“ Siela wirkte nachdenklich, „Ich muss das leider ablehnen. Ich weiß ehrlich gesagt nicht wo ich wirklich hingehöre, aber ich denke, dass ich diesen Ort finden kann, wenn ich mit ihnen unterwegs bin.“ Der Mann hatte schon mit dieser Antwort gerechnet und lächelte nur leicht. Es verging ungefähr ein Tag bis eine Gruppe, auf die Beschreibung Siela’s passte, gefunden wurde. Sie hielten sich in einer Taverne in der Mittelschicht auf. Die Quelle war recht zuverlässig was so etwas angeht, aber Siela müsste sich beeilen, da die Information schon eine Stunde alt war.