Noch immer weinend bemerkte Nina, wie schwer Siradda die Nachricht von Menhits Tod traf. Die beiden waren wohl Freundinnen gewesen. Spontan schloss sie Siradda in die Arme.
"Es tut mir leid..." sagte sie schluchzend.
"Geister... schnüff... können auch sterben." Geister waren im Grunde genommen die Seelen von Menschen, die nach dem Tod in dieser Welt geblieben waren, statt ins Jenseits zu gehen, wie es normal war. Oder Seelen, die ohne einen Tod ihren Körper verloren hatten, was bei Menhit der Fall war. Wenn man einen Geist zerstörte, dann wurde die Seele gewaltsam ins Jenseits verfrachtet. Für manche Geister, die wegen eines Grolls oder aus Wahnsinn in der Geisterwelt gefangen waren, konnte man das als Gnadenstoß sehen. Aber für Menhit, die noch eine Chance gehabt hätte, ihren Körper zurückzukriegen und weiterzuleben, war es nur ungerechtes Schicksal.
"Menhit ist jetzt bei den Göttern." sagte Nina, und sah zum Mond, der am Nachthimmel leuchtete.
"Und hier. Bei jedem von uns." Sie tippte sich auf die Brust
Die Mission war abgeschlossen, aber einen vollen Erfolg konnte man es nicht nennen. Viele von ihnen waren körperlich oder geistig schwer angeschlagen. Besonders Leo, der im Koma lag, und Noire, deren stoisches Gemüt von Menhits Tod komplett gebrochen zu sein schien. Korina hatte Menhit kaum gekannt, nur am Eingang von Titanias Domäne hatte sie sie kurz gesehen, aber Noire, die viel mit Amen und somit mit seinen Geisterfreunden zu tun hatte, wohl schon. Während ihre Freundin sich zurückzog, um in Ruhe zu trauern, lenkte Korina sich auf andere Weise von ihren Gefühlen über die Mission, und ihre Gefühle über das, was in zwei Tagen kommen würde ab, sie fokussierte sich ganz auf ihr Training. Unermüdlich schwang sie ihr Schwert von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang, sie redete mit niemandem, nicht mal mit Nina.
Und wie man sich's versah, war auch schon der Morgen des neunten angebrochen, und als Rouge sie sehr früh aufweckte wusste Korina, dass *sie* pünktlich in Iridae angekommen war. Jetzt war die Stunde der Wahrheit gekommen. Korina tat ihr bestes, um akzeptabel auszusehen, sie wusch und kämmte sich die Haare und brachte sogar die drei widerspenstigen Strähnen, die aus ihrer Stirn sprossen, einigermaßen unter Kontrolle. Jedes bisschen an gutem Eindruck könnte zählen, wenn es darum ging, ihre Schwester anzulügen. Im Handelshaus, wo sich Söldner und Ritter offiziell zum ersten mal treffen sollten, würde Korina in einem Nebenraum warten, bis sie soweit waren, Kaithlyn von ihr zu erzählen. Angespannt saß die Schwertkämpferin auf einem Stuhl und starrte ihre Fingernägel an.
Als Kaithlyn Grausee von Bord der Mondsichel-Rose stieg, wurde sie bereits von einem Botschafter des Senators begrüßt, der sie und zwei weitere Ritter, nämlich Enoch Erzfang, der unter Kaithlyns Aufsicht stand, und Quinn Caballo, ein Wolfswandler und die Nummer 2 in der Hierarchie der Rittereinheit, die nach Iridae gesandt worden war, anschließend zum Büro seines Vorgesetzten führte, wo vier Personen auf sie warteten - der Senator, seine Assistentin, die Anführerin der Söldner, die für den Senator arbeiteten, und eine weitere Söldnerin.
Kaithlyn nahm ihren Panzerhandschuh ab und schüttelte ihren vier Gastgebern die Hände.
"Einen guten Morgen wünsche ich Ihnen im Namen der Pegasusritter." begrüßte sie die Iridaer.
"Ich bin Kaithlyn Grausee, Anführerin der für diesen Auftrag ausgesandten Ritter. Meine Begleiter sind Sir Quinn Caballo, und Knappe Enoch Erzfang." Enoch konnte sich derweil ein Lächeln nicht verkneifen. Aus dem Nebenzimmer spürte er die Wärmesignatur von niemand anderem als Korina. Das würde ein Spaß werden.
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