Ein kleines Gespräch brach zwischen dem Schwertkämpfer und der Katzendame aus. Er wollte, er musste stärker werden, meinte er. Sie alle mussten stärker werden. Es ließ sich nicht leugnen, dass die Gruppe (oder zumindest der Großteil) ohne die Hilfe von Kyrian und Co. oder der Götter mittlerweile unzählige Male sechs Fuß unter dem Boden gelandet wäre - zu Staub verpufft, grausam zerstückelt oder sogar in einer komplett anderen Dimension verendet, ohne dass irgendeine Spur zurückbleiben würde. Raisens nüchterne Worte besaßen einen harten, wahren Kern. Der junge Elf fühlte sich elendig, in dieser Eisöde einfach umgekippt zu sein, bevor er wirklich etwas machen konnte. Der Kräfte-Unterschied schien einfach uneinholbar; während die Anführer offenbar keine großartigen Schwierigkeiten damit hatten, den anderen Angreifer in Schach zu halten, hätte dieser den Rest wahrscheinlich mühelos und einhändig mit verbundenen Augen und Beinen erledigt, ohne einen Kratzer davonzutragen. Aber das war nicht die Gelegenheit, um sich in die Ecke zu setzen und rumzuheulen. Es blieb die Hoffnung, dass sie ja vielleicht in 2000 Jahren etwas reißen könnten, falls sie bis dahin noch lebten.
Nun wollte sich der fremde Lichtmagier noch einmal vorstellen: "Guten Tag, mein Name ist Lea. Ich würde gerne zukünftig diese Gruppe begleiten." Man könnte fast nicht merken, dass dieser Mann hier etliche Jahre abgetrennt von Zivilisationen lebte, tatsächlich war er noch in der Lage, solch einen vernünftigen Eindruck zu machen. Oder er konnte nur gut reden. "Klar", antwortete darauf der Vampir, wie Raisen ihn nannte."Aber lass dir sagen, auch wenn er selbst es nicht völlig verarbeitet, Raisen hat Recht. Wir sind definitiv keine Vorbilder~ Oh, und du solltest erst einmal Altaris' Frau sehen... oh Junge. Oder, Kyrian?" Evelin. Kalt lief es Vim den Rücken hinunter, als er an ihre erste gemeinsame Begegnung denken musste.
Um nicht noch mehr Frostbeulen davonzutragen, hieß es endlich zurückzugehen, nachdem die Nötigsten verarztet waren, soweit es ging. Der noch schlafende Mann, den Kyrian und Assagar herbeigeschleppt hatten, musste von Shja getragen werden. Wie schön es wäre, nicht mehr laufen zu müssen, sondern getragen zu werden..., dachte er sich und seufzte. Dennoch brachte er sich dazu, sich zusammenzureißen und nicht weiterzuquengeln.
An der Höhle angekommen, spürte Vim sofort das Gefühl der Erleichterung, nicht mehr zu frieren und zu zittern, als Wärme die Luft um ihn erfüllte. Aus Respekt verbeugten sich wieder die meisten vor den Drachen - und außerdem konnte ein kleines Dankeschön für die warme Luft doch nicht schaden, oder?
Schließlich erreichten sie den riesigen Thronsaal. Auch hier verbeugte man sich, ehe die Drachenkönigin zu Worte kam: "Ihr habt die dunkle Macht vertrieben, die hier ihr Unwesen trieb. Euch gebührt nicht nur mein höchster Dank, sondern auch der meines Volkes." Die Mission... war geschafft. "Manche von euch werden sich vielleicht fragen, warum wir uns nicht selbst auf den Weg gemacht haben, um der Plage Einhalt zu gebieten. Die Antwort ist recht simpel... wir Drachen sind schon bedroht genug. Es gibt nicht mehr viele von unserer Art und gegen einen solchen Gegner zu kämpfen hätte nichts gutes für uns bedeutet."
"Gegen was ihr gekämpft habt- dieses Ding... Leider kann ich euch auch nicht sagen, wer oder was es war. Ich weiß nur, dass es schon eine Ewigkeit auf dieser Welt war... und nicht das Einzige Wesen seiner Art ist." Der Elf schluckte leise. Das bedeutete, wenn sie keine Möglichkeit fanden, diese Erscheinungen effektiv und effizient zu bekämpfen (, selbstverständlich ohne jedesmal auf die Hilfe der Götter zurückzugreifen), würde das fatal enden, und die Rettung der Welt scheitern.
Die Königin am anderen Ende des Saals stand auf und reichte mit langsamen Schritten eine Truhe zur Gruppe. "Während eurer Abwesenheit habe ich mich persönlich darum gekümmert, den Lichtkristall für euch zu besorgen." Der sechste und vorletzte Lichtkristall! "Er befand sich in einem kleinen, zerstörten Dorf, nicht unweit von hier... vor langer Zeit wurde es von Eindringlingen verwüstet. Der Kristall selbst war verwoben in einem großen Baum. Jeder, durch den kein Drachenblut fließt, der versucht hätte, diesen Kristall aus dem Baum zu entfernen, wäre sofort zu Kristall geworden. Der Baum ist gestorben, kurz nachdem der Kristall aus ihm entfernt wurde. Ich habe nur eine Bitte an Euch: Lasst das letzte Überbleibsel aus vorheriger Zeit nicht vergebens zu einer Erinnerung geworden sein. Benutzt die Kristalle und bringt den Frieden wieder in diese Welt." Kurz ließ sie den Schein des Kristalls aus der Truhe heraus, der so hell war, dass er den gesamten Raum erleuchtete, bevor die Truhe wieder geschlossen wurde und an Shja weitergegeben wurde. "Ich weiß, dass Ihr den Wunsch habt, gegen einen meiner Art zu kämpfen, Troll. Doch leider muss das warten. Ihr habt wichtigeres zu tun - und keine Zeit mehr zu verlieren." Dieser antwortete: ,, Es war uns eine Ehre und ein Vergnügen in Ihre Dienste zu treten. Einmal wird die Zeit kommen, in der ich mich mit einem eurer Drachen messen kann!" Die Ehre und der Stolz eines Trolls waren das wichtigste für ihn, hatte Vim sich sagen lassen; das war bei Shja nicht anders. Jedenfalls war der Junge froh, jetzt hier von Nifel wegzukommen, es war überhaupt nicht sein Kontinent, was das Klima anging.
Auf einmal lachte Yin, nur Vim hatte wohl verpasst, warum. Schließlich sagte das junge Fräulein: "Macht Euch keine Sorgen, Eure Hoheit! Wir werden den Kristall schon nicht kaputt machen! Und übringens, die Schuhe würde ich lieber ausziehen, auf solchen Dingeln läuft es sich immer scheiße!" Ihre Schuhe? "Gut Kinder, fasst Euch bitte an den Händen. Bildet bitte einen Kreis, damit ich uns alle nach Dulluas teleportieren kann - nein Assagar, du bekommst keine Extrawurst. Jemand müsste bitte noch Altaris' Händchen halten.. und niemand schließt den Troll aus, und auch Raisen hält sich da bitte dran." Während Vim irgendwelche Hände griff, überlegte er: Machte er sich eigentlich gerade lustig über sie?
Keinen Lidschlag später bildete sich vor ihren Augen die Ansicht einer kleinen Zwischengasse mit einer Höhlendecke weit darüber, so wie man sie nur von Dulluas kannte; die spärliche Deckenbeleuchtung, die Wärme, der allzu bekannte (fast schon heimatliche), leicht muffige Geruch - Vim hätte nie geglaubt, dass er diesen Ort so sehr vermissen konnte. Doch mitten im Moment seiner Freude kamen schlimme Erinnerungen zurück, und er versank kurz in seinen Gedanken.
Währenddessen trennten sich einige Gruppenmitglieder von den anderen, zurück blieben nur ein paar, darunter jener mitgeschleppte Mann, der inzwischen aufgewacht war. Und bevor jemand etwas merken konnte, war Vim ebenfalls weg.
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