Klirrende Kälte machte sich im Raum breit, als die Tür der Kajüte, durch die die unsägliche Luft der See hineinzog, aufgeschlagen wurde. Eine junge Frau, die unter einer dünnen Decke in dem Zimmer schlief, versuchte sich davor zu schützen, bis sie merkte, dass die Versuche, Wärme zu erlangen, zwecklos waren. Langsam öffnete sie die Augen. Ein Lichtstrahl, der durch das Bullauge im Schiff in das Zimmer drang, ließ diese hell erstrahlen und hob die seltenen, eisblauen Augen nur noch mehr hervor. „Anker auswerfen!“ schrie ein hörbar, kräftiger Matrose und wie vom Blitz getroffen, sprang die Frau auf, zog sich einen grau-braunen Mantel mit Kapuze über den Körper und das Gesicht, schnappte sich ihre Tasche und lief so schnell es ging über das Schiff, bis zur Reling. Dort angekommen erwartete sie der atemberaubende, aber auch erschütternde Blick auf die Stadt Telaron, die vor etwa einer Woche durch abstruse Gestalten zerstört wurde. Bei genauerem hinsehen erblickte das Mädchen Teile der großen Stadtmauer, die gerade von ein paar Bürgern repariert wurde. Etwas dahinter waren alte Fachwerkhäuser zu sehen und am Pier ein kleines Schiff, welches den Namen „Little Teardrop“ trug. Im selben Moment traf auch schon das Schiff im Hafen ein, mit welchem unsere Unbekannte nach Telaron fuhr. Mit einem raschen Wink verabschiedete sie ein paar Bekannte und trat mit festem Schritt in ihr neues Leben.
Ihre Eltern hatten ihr bereits eine Unterkunft besorgt, in der sie leben durfte, wenn sie denn noch stand. Nach kurzem Suchen in all den Trümmern, hatte sie Erfolg. „Zum alten Magier“ stand auf dem zerbrochenen Schild vor dem niedlichen, fast unbeschädigtem Haus, mit einem, durch den Tumult, verwüsteten Garten und einem Bernhardiner, der entspannt in seiner Hundehütte schlief, als wäre nie etwas passiert. Vorsichtig trat die Abenteurerin in das Haus. „Komm nur herein Mädchen! Wir beißen nicht, aber selbst wenn, sollte das für dich kein Problem darstellen.“ schallte es aus der Küche hinter dem Empfangstresen. „Mein Name ist Kira. Für mich wurde reserviert und ich wollte...“ Kira kam nicht zum aussprechen. „Du wolltest deinen Schlüssel haben, nach oben in dein Zimmer gehen und dann die Stadt erkunden. Abenteuer suchen und womöglich noch den goldenen Graal finden, den es sowieso nicht gibt, ODER?!“ „Nein, aber...“ versuchte der Neuankömmling sich zu verteidigen. „Aber was? Hier sind deine Schlüssel. Zimmer 369. Bevor du aber hochgehst, musst du uns bei 3 kleinen Aufgaben zur Hand gehen, damit du gleich deine erste Quest erfüllen kannst, junge Lady.“ lächelte sie ihren Gast an. Ohne auch nur ein weiteres Wort zu verlieren, ging Kira wieder in den Vorgarten und reparierte mühselig das Eingangsschild mit ein paar Nägeln und dem Hammer, dessen Kopf die Form einer Bierdose hatte. Nach 30 langen Minuten, war die erste Aufgabe erfüllt. Die zweite Aufgabe war etwas schwieriger, denn Kira sollte den verlorengegangenen, kleinen Schlüssel zur Speisekammer der Gastwirtin im Garten wiederfinden. Zwei Stunden kroch sie auf dem Rasen herum, bis sie den Schlüssel in einem etwa 1,50m tiefen Loch wiederfand. Mit einem Spaten schaufelte sie solange, bis der Schlüssel zu erreichen war und sie diesen, der alten Dame zurückgeben konnte. Mit einem Brief in der Hand wurde Kira nun zur Post um die Ecke geschickt, um den letzten Auftrag zu erledigen, bevor sie zum Gasthaus zurückkehrte und schließlich auch in ihr Zimmer durfte. Die Post entnahm ihr den Brief in letzter Sekunde, denn gerade sollten alle Briefe zur Überfahrt verladen werden. Zufrieden mit Kira's Arbeit, entließ sie die erschöpfte Arbeiterin.
Nur schleppend ging sie die Treppen hinauf und in ihr Zimmer. Es war sehr gemütlich. Die Wände waren mit Balken und weißer Farbe verziert, das Bett aus Holz, mit 3 warmen Decken und der Schrank im rustikalen Look direkt daneben. Ein längliches Fenster, welches sich als Tür entpuppte, führte zu einem kleinen Balkon, der nur für eine Person gedacht, aber hübsch mit roten Rosen bepflanzt, war. „Wundervoll!“ sagte Kira zu sich und ließ sich rückwärts in ihr Bett fallen. „Hm? Ein Brief...von meinen Eltern“ Darin stand folgendes : „ Liebe Kira, wir finden es wirklich bedauerlich, dass du uns schon mit 19 Jahren verlässt, aber dein Schicksal hat dir nun diesen Weg gegeben und da du stets sagtest, dass du ein freies, aufregendes Leben führen möchtest, akzeptieren wir, dass du nun doch diese Reise auf dich genommen hast. Schicke uns bitte ein paar Briefe und melde dich, wie dein Training läuft und ob du Fortschritte machst. Wir haben dich lieb und kommen dich bald besuchen. Liebe Grüße Mama & Papa“ Lange dachte Kira über den Brief ihrer Eltern nach, denn sie wollte nie wirklich von zu Hause weg, aber von einer Welt voller Magie und Abenteuern hatte sie schon immer geträumt. Somit gab sie ihr unerfülltes, altes Leben auf, um nach Telaron zu kommen, stärker zu werden und mehr zu erreichen, als in der „normalen“ Welt. Nach einiger Zeit stand Kira wieder auf, packte ihre Tasche aus, zog sich um, machte ihre Haare zurecht und stellte sich vor den Spiegel.
Sie sah einen großen, normal gebauten Vampir mit eisblauen Augen, langen, rubinroten Haaren, die perfekt zu ihren blutroten Lippen passten, vor sich. Das Gesicht kreidebleich, nur mit leichten Sommersprossen besetzt und einem Leberfleck unter dem rechten Auge. Deutlich erkannte man die Narbe über der linken Brust, die die Form einer Welle hatte. Von dort aus wanderte ihr Blick über zum Kleid, welches sie nun trug. Schwarz, bis knapp über die Knie und am Ende, wie Fetzen, zerrissen. Am Rücken des Kleides war ihr fast durchsichtiger Schleier befestigt, welcher die doppelte Länge des Kleides hatte. An den Füßen trug sie nichts, denn Kira hasste Schuhe und mochte es, die Welt unter ihren Füßen zu spüren, auch, wenn sie manchmal mehr spürte, als gewollt. An sich, fand Kira, dass sie ziemlich geheimnisvoll rüberkam, weil sie nicht soviel sprach und trotzdem konnte sie auch witzig, ernst oder laut sein, wenn sie sich aufregte. Die Nacht war angebrochen, der Vollmond aufgegangen. Jetzt fühlte sich Kira lebendig, sie lief auf ihren nackten Füßen den Dielenboden entlang, hinaus zum Steg am Meer von Telaron. Dort stellte sich der Vampir dem Mond gegenüber, ein leichter Wind wehte durch das lange, rot schimmernde Haar und sie war sich sicher „HIER will sie bleiben!“
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Viel Spaß beim lesen, hoffe alles richtig gemacht zu haben