"Wie ich sehe, trauerst du um deinen Freund, der viel zu früh aus seinem Leben gerissen wurde, und sicher noch einige Dinge in diesem vor hatte. Würde es ihm nicht zur Ehre gebieten, ihn zu rächen, indem etwas gegen die Dämonen unternommen wird?"
Matthew hob den Kopf, als er merkte, dass er angesprochen wurde. Aus geröteten Augen blickte er der weißhaarigen Frau direkt in die Augen, der Blick von Wut und Zweifel geprägt.
Da standen sie hier, an der Schwelle zum Tode und waren eben entronnen, und jetzt sollten sie sich am nächsten Tag gegen die Dämonen zusammenschließen?
Die Worte der Frau waren weise gewählt. Sie appellierte an die Emotion, die bei den Anwesenden einen Höchstwert erreicht hatte, sie erreichte ihre Ziele in einer Extremsituation - und machte sie sich gefügig.
Rache und der Ruf nach Freiheit - das war es, was alle Anwesenden beflügeln würde, und genau das wusste sie.
Dennoch sprach sie aus, was viele, wenn nicht alle, dachten: Zu lange hatten sie sich in der Höhle verkrochen, in Angst vor den Dämonen gelebt. Sie hatten ihnen das Leben in aller Vielfalt genommen, den Himmel über ihren Köpfen und die unendliche Freiheit - und sie hatten es einfach so hingenommen.
Dennoch gab es Ungereimtheiten, die Matthew zweifeln ließen, ob es wirklich eine gute Entscheidung war, sich der unbekannten Frau anzuschließen.
Resigniert schüttelte Matthew den Kopf. Rache war es, die ihm im Kopf herumspukte, und er wusste, dass er denjenigen, der für Carters Tod verantwortlich war, bis ans Ende der Welt jagen würde - doch er wollte auch wissen, wieso diese Dinge geschahen. Wieso all das geschehen war, was zu dem geführt hatte, was heute war.
Er richtete sich auf, den Blick noch immer auf die Rednerin geheftet. Die Aura der Frau leuchtete rot flackernd auf - war es Gefahr oder Wille? Matthew wusste es nicht.
--------------Zeitsprung zum Abend-----------------
Auf dem Platz der Fireakirche wurden die einzelnen Leichname verbrannt, doch Matthew wollte das nicht. Das Begräbnis fand daher in Forax Garten statt, und der Magier selbst entzündete das Feuer, das die Überreste von Matthews Ziehvater verzehrte und in den Himmel beförderte.
"Zu gerne würde ich den Himmel noch einmal mit meinen eigenen Augen sehen", hatte Carter oft nachdenklich gesagt. Matthew war im Herzen traurig, dass er seinem Vater diesen Wunsch nicht hatte erfüllen können.
"Und selbst, wenn ich es nicht schaffe - ich wünsche, dass du dorthin zurückkehren kannst, wo deine Familie früher gelebt hat." In einer einzigen Träne rann die Erinnerung an Matthews Wange herab, bevor sie auf den Grasboden tropfte.
Forax war an Matthew herangetreten. Matthew stimme war noch immer etwas zittrig.
"Wirst du sie begleiten?", fragte er Forax. Der schüttelte den Kopf.
"Du?" -
"Ich habe zuviele Fragen, auf die ich Antworten finden möchte, aber..." -
"Etwa, warum die Dämonen uns nicht auslöschen, wenn sie wissen, dass wir hier sind? Warum nur einer von ihnen hier auftaucht und nicht tausende? Warum dieser Dämon bereits gestern in der Stadt war?" Matthew war überrascht. Forax hatte denselben Gedankengang gehabt wie er, und auch er hatte die Aura wiedererkannt.
"Für das Leben des kümmerlichen Zwerges würde ich nicht einen Finger rühren", fuhr Forax fort.
"Aber dieser Angriff war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Zwanzig Jahre lang haben wir hier unten ausgeharrt und darauf gewartet, dass etwas geschieht - und genau das weiß sie. Die Frage ist nur, was das zur Folge hat. Durch eine solche Mission können wir alles zurückgewinnen - oder alles verlieren. Fest steht: Wenn die Dämonen wissen, wie man nach Dulluas Cannan gelangt, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis wirklich tausende von ihnen über uns herfallen."
"Warum begleitest du sie dann nicht, Forax?" - "Warum begleitest du sie nicht, Matthew?" Matthew blickte zu Boden. Ehrlich gesagt wusste er es nicht.
"Weil du dich nicht stark genug fühlst.", sprach Forax dann.
"Komm mit mir, Matthew. Ich kann dir zeigen, wie du deine inneren Zweifel überwinden kannst - aber das nur an einem anderen Ort. Und vielleicht wirst du dann die Entscheidung treffen, der Gruppe zu folgen und unsere Welt zurückzuerobern - und ich werde an deiner Seite stehen, so wie Carter es getan hätte. Er hätte es so gewollt."
Matthew dachte an Carters Worte.
Ich werde den Himmel sehen. Ich werde ihn für uns beide sehen. Und für Mutter.
Dann nickte er.
Es gab nichts mehr, was ihn hier hielt.
Am nächsten Morgen betrachtete er von der Ruine, die noch gestern Esomirs Haus gewesen war, wie sich eine Gruppe von Bewohnern der Stadt unter Anführung der Frau von gestern zusammenschloss. Es waren einige, die sich dort versammelt hatten - doch er würde nicht zu ihnen stoßen.
Noch nicht? Das wusste er nicht.
Leise verließ er die Szene, ohne den Aufbruch oder anderes mitzubekommen.
Carters Shop öffnete nicht mehr. Matthew hatte die wichtigsten Gegenstände mitgenommen, in einem Beutel trug er sie über dem Rücken. Alles andere ließ er zurück.
Forax erwartete ihn bereits am Bahnhof. Sie bestiegen einen kleinen Zug, der eigentlich nur für die Oberschicht gedacht war, doch er war beinahe völlig leer. Sie nahmen in einem Abteil platz und nach einige Zeit setzte sich der Zug in Bewegung. Das rhythmische Stampfen der Dampfmaschine war bald das einzige, was Matthew vernahm, während sich der Zug seinen Weg durch die unterirdische Welt bahnte. Wohin? Das wusste er nicht, doch er war sich sicher, dass Forax ihn führen würde.
Matthew schloss die Augen.
Er konnte erst einmal ruhen.
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So, das als Ausleitungspost für mich. Ich bin jetzt zwei Wochen im Urlaub und werde nur sehr, sehr selten online kommen können, von daher werde ich erstmal nicht an der Story teilnehmen können. Sobald ich wieder da bin, werde ich in Rückblenden erzählen, was so in der Zwischenzeit vorgefallen ist, und dann zur Gruppe stoßen - sofern das den Spielleitern genehm ist.