Mord in Palermo

Altaris war schon ziemlich beeindruckt. Während Kyrian ihn so durch den Ort führte musste Altaris unweigerlich an den Zeitpunkt vor 20 Jahren denken, als sie bei dem Dunkelelfen Lurencae waren, nachdem sie im Kolosseum von Houlus so ein Spektakel angerichtet hatten.
Es war schon eine schöne Zeit, damals. Schöner als jetzt. Aber das war damals, und er lebte im Heute. Leider wollte sein Kopf das einfach nicht realisieren. Beim Umsehen sah Altaris überall Familien - nichts, was ihm wirklich half. Er war verantwortlich dafür, dass sie alle hier leben mussten und aus ihren ursprünglichen Heimatsorten vertrieben wurden.
Irgendwann kamen Kyrian und Altaris in einen Raum der ziemlich ausgeschmückt war - doch was Altaris Blick fing war vielmehr das Mädchen, das dort saß. Es sah Evelin einfach so ähnlich. Nur nicht in der Größe, aber selbst da war sie ungewöhnlich groß für eine Frau. Plötzlich stand sie auf, lief an Kyrian vorbei und starrte Altaris nun an. Altaris starrte zurück. Aber wahrscheinlich aus einem anderen Grund als das Mädchen, das Kyrian gerade als Anning vorstellte.
"'Äh.. Anning, ja? Sehr erfreut, ich ähm.. bin Altaris." Er schien unsicher zu klingen. Mit einem Blick, der sagte 'Das musst du mir nun aber erklären' sah er zu Kyrian. Kyrian und Evelin hatten doch nicht etwa.. nein. Das wäre nicht wirklich produktiv für Altaris.
"Achja, ich weiß nicht ob Ihr der Magie verbunden seid, aber falls ja.. tut es mir Leid wegen der Aura. Ich kann sie nicht ausschalten oder so.", sprach Altaris dann noch einmal zu Anning gewandt. Er hatte das Gefühl, das erklären zu müssen. Auch wenn seine Manieren sowieso zu wünschen übrig ließen, und das wusste er so sicher wie die Tatsache, dass Sand in der Wüste war.

Als Anning aufgebraucht den Raum verließ, wollte Altaris erst etwas sagen - ließ es dann jedoch. Als Kyrian ihm dann etwas zu Essen angeboten hatte und ihr Verhalten entschuldigte, musste Altaris ihm dann doch widersprechen.
"Nein, es ist nicht ihr Verhalten. Ich schätze, ich bin es." Er setzte sich gegenüber von Kyrian hin und hörte ihm zu. Er erwähnte Evelin.
"Du und Evelin.. Ihr seid ein Paar, nicht wahr?" Ohne es zu bemerken ergriff Altaris einen selbstgeschrumpften Anhänger. Es war ein sehr kleines Armband. Evelin hatte es ihm einst geschenkt. Aber das war lange her. Mindestens 21 Jahre.
"Naja, schätze das habe ich mir selbst zuzuschreiben. Ich war ein Idiot, ohne es zu merken.. geblendet von vorgegaukelter Unschuld und falschen Gefühlen.." Nachdem er in Gedanken versunken war sah Altaris irgendwann wieder zu Kyrian. Die Trauer in seinem Gesicht konnte man noch immer sehen, aber er hatte diesmal das Thema gewechselt.
"Es ist nicht.. nicht mehr halb Mensch, halb Dämon. Seit kurzem kann ich.. mich nicht mehr zurückverwandeln. Ich kann keine Menschengestalt mehr annehmen." Und das meinte Altaris völlig ernst. Seit dem kleinen Besuch in Wallham war es ihm unmöglich, noch menschliche Gestalt anzunehmen. Er fühlte sich, als würde die Finsternis in ihm langsam die Überhand gewinnen - und das machte ihm Angst. Er hatte vieles erlebt, in den 20 Jahren mit niemandem ausser Mara Kontakt gehabt. Aber er war sich immer sicher, dass er noch ein Mensch war. Doch nun nicht mehr. Er war nur noch ein Dämon. Ein Dämon, der 20 Jahre in einem Anwesen lebte ohne es oft zu verlassen. Er hatte mit niemandem ausser mit Mara und manchmal den Sklaven geredet. Alles was er getan hatte, war nachzudenken. Über die Vergangenheit. Was gewesen wäre, wenn er sich anders entschieden hätte. Wenn er nur nicht so dumm gewesen wäre.

"Ihr seid also nicht.. aber wieso dann die Kinder?" Das Glas, das Kyrian ihm während er gesprochen hatte zugeschoben hatte, nahm Altaris nun in die Hand und trank einfach mal einen Schluck, während Kyrian noch weiter redete. Wollte Altaris seine Menschlichkeit zurück? Wahrscheinlich. Wollte er seine Kräfte aufgeben?
"Ich.. weiß nicht." Altaris ließ seinen Blick erneut senken, dachte nach - aber er kam auf kein anderes Ergebnis. "Ich.. weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob ich bereit bin, das alles aufzugeben. Wenn es nur der Körper wäre, wäre es nicht schlimm.. aber die Magie."
Just in diesem Moment legte Altaris seine Hand mit dem Handrücken auf die Armlehne seines Stuhls und ließ auf der Handfläche eine kleine schwarze Flamme herumtänzeln. Irgendwann verformte sich diese Flamme und es waren zwei kleine Gestalten - es waren menschliche Wesen, die sich scheinbar duellierten. Doch Altaris schloss die Hand und beide Figuren waren wieder verschwunden.
"Ich weiß nicht, ob mein Körper bereit ist den Kristall abzugeben.", sagte Altaris schließlich nach einer kleineren Pause. Wieder dachte er nach, ob Kyrian noch etwas gesagt hatte. "Ich bin nicht.. viel Mensch. Ich töte ohne mit der Wimper zu zucken. Ich sage mir immer 'Ein paar mehr machen auch nichts mehr aus' aber ich bin mir nicht mehr sicher ob das stimmt. Bei Dämonen ist es mir ja egal, aber.. die Sklaven. Jedes Mal wenn so ein Sklave zu Tode gefoltert wurde, habe ich sie noch erlöst - trotzdem dachte ich nicht darüber nach, wie sie sich fühlten. Nichtmal im Geringsten. Dass Ass.. Danial und Evelin mir überhaupt bei einem Plan vertraut haben, erstaunt mich noch jetzt. Alleine in Houlus habe ich wieder Dutzende getötet."

Altaris war verwirrt. "Ich finde es keineswegs abwegig. Ich bin einzig und allein interessiert an Evelin."
Er dachte einen kurzen Moment nach und an seinem Gesichtsausdruck konnte man merken, dass er das so eigentlich garnicht sagen wollte. Denn das klang irgendwie falsch. "Also.. wie es ihr geht und so, mein ich.", fügte er schließlich hinzu. Da hatte er sich nochmal sehr geschmeidig rausgeredet!
Nach ein paar Sekunden sah er wieder zu Kyrian und antwortete ihm auf die anderen Fragen.
"Ich kam nicht hier her, um mir einfach nur Ratschläge zu holen. Einfach mit jemandem zu reden, der weder Angst vor mir hat, noch mich tot sehen- nagut vergiss den zweiten Teil. Aber sich einfach mit jemandem zu unterhalten ist eine recht schöne Abwechslung von der sonstigen Leere."
Altaris trank erneut etwas und rückte in seinem Stuhl zurecht.
"Auch wenn ich es in meiner Vergangenheit vielleicht hätte tun sollen, immer nur Ratschläge von anderen auszuführen verhilft einem nicht unbedingt zu Stärke oder Weisheit." Dann wurde sein Blick jedoch ein wenig trostloser. "Auch wenn ich gewiss nicht von Weisheit reden sollte.. oder von Stärke. Nicht einmal mein Kind konnte ich beschützen. Aber was erzähle ich dir davon, du weißt es ja eh."