Mord in Palermo

"Ist gut!" Farah ging mit Raisen ohne weitere Umwege in die Vorratskammer, die - zu nicht allzugroßer Überraschung - völlig leer war.
"Mist!", fluchte Farah sofort, aber eigentlich musste ja noch jeder in der Gruppe Proviant haben. Hoffentlich würde es reichen.
Vielleicht sollte Farah selbst jetzt auch mal weniger Brötchen pro Stunde essen, wäre eine Idee. Dann sah sie zu Raisen.
"Was nun? Zurück an Deck oder nochmal gründlicher suchen? Vielleicht liegt in den weniger gut beleuchteten Ecken ja etwas."
Doch die Hoffnung darauf war ziemlich gering. Allgemein schien das Schiff nur für das nötigste ausgestattet zu sein - und zwar für die Reise. Vielleicht erwartete Evelin zu viel.



Seufzend lief Altaris die Düne herunter. Er hatte das Gefühl, dass er einfach nicht für eine Vaterrolle gemacht war. Nicht, wenn er plötzlich nach fast zwei Jahrzehnten auftauchte und in das Leben von Yin und Anning stürzte. Ernsthaft, Kyrian hätte ihm das ruhig mal früher sagen können. Als er schließlich hinter Yin angekommen war, die noch immer auf den Kaktus einschlug, meldete er sich ganz plötzlich zu Wort. "Nicht unbedingt die beste Art, einen Gegner zu töten. Du verletzt dich mit diesem Stil zu oft."
Als Yin such umdrehte, ließ er sich in den Sand hinter ihm fallen und setzte sich hin.
"Pass auf, Yin. Ich weiß, wie ich reagiert habe mag dir hart vorkommen. Aber du musst auch verstehen, dass das, was du gesagt hast, ziemlich verletzend war. Nicht für mich - sondern für deine Mutter und deine Schwester. Ich stehe vielleicht nicht gut zu irgendeiner von den Zweien, aber was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist dass sie dich sicher sehr gern haben. Auch, wenn es dir vielleicht manchmal nicht so vorkommt. Oder wenn andere Jugendliche euch komisch behandeln." Während diesen Worten nahm er ein wenig Sand in die rechte Hand und ließ ihn langsam wieder herunterrieseln.
"Hör zu. Ich habe euch 19 Jahre nicht kontaktiert, also kann ich dir nicht wirklich detailliert helfen. Noch nicht, jedenfalls. Nicht bei solchen Dingen. Aber ich will, dass du wenigstens schätzt, eine Familie zu haben, wie deine. Wer sonst hat eine Schwester, die so viele Bücher gelesen hat dass es für eine ganze Bibliothek langen würde, dazu noch Gedanken lesen kann? Und eine Mutter, die nicht nur mit zwei einhändigen Waffen extrem gut kämpfen kann, sondern auch noch eine Königin ist? Nur, weil ihr nicht der Standard seid, seid ihr keine schlechtere Familie. Ich finde sogar, dir geht es noch ziemlich gut."

"Okay, also dann! Zurück an Deck!" Farah klang sehr optimistisch. Wie lang dauerte so eine Fahrt mit dem Boot eigentlich? Ein paar Stunden, wie mit dem Zug in den Höhlen? Oder einen Tag? Das würde sie dann wohl Evelin oder Danial fragen. Auch wenn Danial ein wenig verrückt zu sein schien. Jenachdem, wer ihr zuerst über den Weg laufen würde, würde sie denjenigen dann auch fragen.
"Warum hast du eigentlich weiße Haare? Bist du einfach nur sehr alt?", fragte sie Raisen während sie aus der Kammer herausgingen.


Altaris schwieg. Als Yin dann schließlich davon sprach, dass Kyrian sie mit ihrem Vater verglich, konnte er nicht anders als sie in den Arm zu nehmen - so gut es ging. Immerhin saß sie neben ihm. "Soetwas ist nicht.. dumm." Wenn er es konnte, wäre ihm wohl eine Träne über die Wange gelaufen. Aber sein Blick wurde nur sehr traurig. Anscheinend konnte er als Inkubus nicht weinen. Wieder was gelernt.
"Es liegt wohl einfach in der Familie, seine Ziele unglaublich hoch zu stecken. Und das mit den Talenten kam bei mir erst als ich älter war als du.. davor und auch danach war es bei mir nicht anders. Ich war und bin schusselig und naiv - je nach Rasse und Person natürlich, aber ziemlich. Wenn du wirklich genau bist wie ich, dann findest du immer einen Weg, etwas zu erreichen."

Die leichtgläubige Farah machte große Augen.
"Wooow! Dann warst du ja bestimmt schon an allen möglichen Orten hier an der Oberfläche! Erzähl mir was! Die Namen der Städte, wie es dort war, was für Menschen dort waren!"
Jetzt musste Raisen sich wohl etwas ausdenken, denn er war ja eigentlich noch nie an der Oberfläche gewesen. Aber wer lügte, musste auch gute Folgelügen beherrschen. Und zu seinem Pech interessierte sich Farah auch noch sehr für solche Dinge.


Altaris nahm die Hand Yins zwar nicht an, stand aber trotzdem auf. Wenn es Kyrian zu kalt war, dann gingen sie eben wieder rein. Er wollte noch mit Kyrian reden, aber das konnte warten - vor allem, bis Yin schlafen würde. Er wollte wissen, was mit Narois geschehen war - woran war sie gestorben?
Was Yin davor angefangen hatte, ihn zu fragen, interessierte Altaris momentan eher weniger. Es war bestimmt irgendwas, wovon sie die Zustimmung nicht anderweitig bekommen hatte und sie nun bei ihm suchte. Aber so leicht ließ Altaris sich nicht benutzen, nicht von seiner eigenen Tochter.